Rose Harbor und der Traum von Glueck
strahlend.
» Ich glaube es einfach nicht « , stieß sie aufgeregt hervor. » Du bist es wirklich! «
» In Fleisch und Blut. «
Der Bemerkung haftete unbeabsichtigt ein Hauch von Sarkasmus an.
» Lieber Himmel, wo hast du all die Jahre gesteckt? «
» Mal hier, mal da « , sagte sie mit einem Achselzucken.
» Lebst du jetzt wieder in der Gegend? «
» Nein « , antwortete Abby mit einem gewissen Widerstreben und wappnete sich vorsorglich, falls Patty den Unfall zur Sprache bringen sollte.
» Wo dann? « , fragte die junge Frau nach und fügte schnell hinzu, als sie Abbys Zögern bemerkte: » Nicht weiter wichtig. « Und dann, nach einer kleinen Pause: » Guter Gott, es ist so schön, dich zu sehen. «
Impulsiv streckte sie die Arme aus und zog sie an sich. Abby stand stocksteif da und wusste nicht, was sie von diesem Empfang halten sollte.
Patty und sie waren eng befreundet gewesen, seit sie sich in der fünften Klasse kennengelernt hatten. Sieben Schuljahre absolvierten sie noch gemeinsam. Außerdem wohnten die Familien ein paar Jahre in unmittelbarer Nähe, sodass die Mädchen morgens gemeinsam zur Schule gingen. Später war Patty weggezogen, doch ihre Freundschaft hatte die gesamte Highschoolzeit über gehalten.
» Bist du verheiratet? «
» Nein « , erwiderte sie und erkundigte sich dann, von Pattys warmem Lächeln ermutigt: » Und du? «
Sie nickte. » Ich heiße jetzt Patty Jefferies. «
» Du arbeitest in der Apotheke? «
» Ich bin die Apothekerin, meinem Mann und mir gehört der Laden. Im Moment ist nicht allzu viel los, deshalb helfe ich vorn aus. Für eine kleine Apotheke ist es schwierig, sich gegen die großen Ketten zu behaupten, aber wir kommen zurecht. In einer Kleinstadt ist das noch möglich – da unterstützen sich die Einheimischen gegenseitig. «
» Das freut mich für dich « , erwiderte Abby aufrichtig.
Patty seufzte. » Es tut so gut, dich zu sehen. Du musst mir alles erzählen. «
Abby hob abwehrend die Hände. » Zum Beispiel? «
» Ich kapiere nicht, dass du noch immer Single bist. «
» Zu wählerisch, schätze ich. Das behauptet zumindest meine Mutter. «
Steve Hooks, ihr Verehrer während der Collegezeit, kam ihr in den Sinn, bei dem sie sich nach dem Unfall ebenfalls nie wieder gemeldet hatte.
» Wie lange bleibst du in der Stadt? Weißt du, dass bei den Klassentreffen die wildesten Spekulationen über deinen Aufenthaltsort angestellt worden sind? Seit einer Ewigkeit hat dich niemand mehr gesehen oder mit dir gesprochen. Irgendjemand wollte sogar gehört haben, dass du in einer Kommune lebst. «
» Wie bitte? « , fragte sie lachend.
» Eine Kommune, wirklich und wahrhaftig « , wiederholte Patty. » Ich habe das immer für Blödsinn gehalten, aber man kann ja nie wissen. Wir konnten dich weder zu unserem Fünfjährigen noch zum Zehnjährigen ausfindig machen. Obwohl wir uns alle Mühe gegeben haben. Es war wie bei den Suchbildern von Wo ist Walter? « , witzelte sie.
Abby fand die Vermutung, sie könnte in einer Kommune leben, ganz schön abwegig. Wer sie kannte, sollte es eigentlich besser wissen. Diese Lebensform wäre das Letzte, was zu einer ausgeprägten Individualistin wie ihr passte. Doch so war es eben. Sobald man sich rarmachte, wurde den wildesten Spekulationen Tür und Tor geöffnet.
Dass sie nicht gefunden werden wollte, auf die Idee waren die Klassenkameraden offenbar nicht gekommen. Ihren Bruder, der als Einziger noch in der Gegend lebte, hatte sie zum Stillschweigen verpflichtet. Und der neue Aufenthaltsort ihrer Eltern schien nicht allgemein bekannt gewesen zu sein.
Ihre Eltern.
Soweit Abby wusste, hatten ihre Mutter und ihr Vater den Kontakt mit den meisten Freunden aus Cedar Cove abgebrochen. Immer wenn sich Abby nach jemandem erkundigte, antwortete ihre Mutter ausweichend.
» Weißt du, Liebes « , pflegte sie zu sagen, » die Menschen ändern sich. Es ist schwierig, aus der Entfernung Freundschaften aufrechtzuerhalten. Wir haben einen netten Bekanntenkreis in Arizona gefunden. «
Neue Freunde mussten her, weil es zu schwer war, den alten ins Gesicht zu schauen. Die Erkenntnis traf Abby wie ein Schlag. Ihre Eltern hatten sich große Mühe gegeben, sie von allem abzuschirmen, aber sie wusste, welchen Preis der Unfall auch von ihnen forderte.
» Ich freue mich einfach nur, dich zu sehen « , meinte Patty. » Alle haben sich gefragt, wohin du entschwunden bist. Warum bist du zu keinem Klassentreffen gekommen? «
Abby starrte sie an.
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