Rose Harbor und der Traum von Glueck
ein Päckchen auf den Tisch, bevor sie ihren Mantel auszog.
» Was ist das? « , fragte Josh.
» Die Bibel deiner Mutter. «
» Du hast sie gefunden? « Josh konnte es kaum fassen. » Wie hast du sie entdeckt? Und wo? «
» Richard hat mir gesagt, wo sie ist. «
» Er hat es dir ernstlich verraten? Heute? «
» Ja, vor ein paar Minuten, um genau zu sein. Er sagte, sie sei in der Garage, und hat mir genau beschrieben, wo. «
» Er will, dass du sie bekommst, nicht wahr? «
» Ich? «
Er nickte.
» Nein « , widersprach sie. » Nicht ich, du sollst sie bekommen. «
Joshs Kopf fuhr hoch. » Hat er das gesagt? «
» Ja. Jetzt schau mich bitte nicht so schockiert an. «
Einen Moment lang meinte er, seine Beine würden unter ihm nachgeben, und er sank in den Sessel zurück.
» Was ist passiert? «
» Du meinst, was Richard dazu bewogen hat, seine Meinung zu ändern? «
» Ja, gestern schien er noch um jeden Preis verhindern zu wollen, dass ich diese Bibel bekomme. Nur um mir eins auszuwischen – diesen Eindruck hatte ich zumindest. «
» Ich finde, du solltest ihn selbst danach fragen. Später, wenn er aufgewacht ist. «
Josh griff nach der Bibel und schlug die erste Seite auf. Seine Mutter hatte mit dem Füllfederhalter ihren Namen hineingeschrieben. Solange er denken konnte, benutzte sie einen Füllfederhalter. Nur damit könne man wirklich ordentlich schreiben, meinte sie immer. Und tatsächlich hatte sie eine sehr schöne Handschrift mit eleganten Schnörkeln, die aussah, als habe sie in einer weit zurückliegenden Zeit, als es noch keine Schreibmaschinen und keine Computer gab, Unterricht in der Kunst des Schönschreibens genommen.
Als er auf ihren Namen hinabblickte, spürte Josh, wie sich eine tiefe Trauer über ihn legte. Behutsam fuhr er mit einem Finger über ihren Namen, bevor er die Seite umblätterte. Da standen die Daten der beiden Hochzeiten und der Tag seiner Geburt. Und in Richards eckiger Schrift, die so ganz anders war als Teresas, ihre Lebensdaten, die er offenbar nach ihrem Tod ergänzt hatte. Josh blätterte weiter und sah, dass viele Bibelverse unterstrichen und mit Randnotizen versehen waren.
» Ich wünschte, ich hätte sie besser gekannt « , flüsterte Michelle.
Ja, dachte Josh, das Gleiche galt für ihn. Es war ihm nämlich neu, dass seine Mutter regelmäßig in der Bibel gelesen hatte. Was wusste er sonst alles nicht? Vermutlich eine Menge, denn der halbwüchsige Junge, der er bei ihrem Tod war, interessierte sich vor allem für sich selbst und war kaum in der Lage gewesen, das Ausmaß seines Verlusts wirklich zu erfassen.
Jetzt tat er es.
Diese Erkenntnis machte ihn sensibler für Richards bevorstehendes Sterben. Zwar hatte er nie eine echte Bindung zu ihm gehabt, aber er war Teil seines Lebens gewesen. Es wäre gut, mit ihm Frieden zu schließen.
Michelle nahm ihm gegenüber Platz. Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln und blätterte noch ein paar Minuten in der Bibel, bevor er sich erhob, um nach Richard zu sehen.
Sein Stiefvater war wach, als er die Tür öffnete, und drehte den Kopf zur Seite, um ihn nicht direkt ansehen zu müssen.
Josh trat zum Fußende des Bettes. » Ich schätze, ich muss mich schon wieder bei dir bedanken. «
» Deine Mutter hätte gewollt, dass du sie bekommst. «
Josh verzichtete auf den Hinweis, dass Richard sie ihm bereits viel früher hätte überlassen können.
» Warum gibst du sie mir jetzt? «
Richard sah ihn an. » Weil ich Teresa geliebt habe. Du kannst mich hassen – ich weiß, dass du das tust –, und vermutlich habe ich dir Grund genug dazu gegeben. «
» Das hast du « , bestätigte Josh. Sie kannten beide die Wahrheit und mussten nichts beschönigen. » Ich suchte einen Vater, und du hast dich geweigert, diese Rolle zu übernehmen. Deine Kälte und Gefühllosigkeit waren schlimmer, als ohne Vater zu leben. «
Richard schloss kurz die Augen. » Ich habe dich enttäuscht und im Stich gelassen, ja … Aber deine Mutter war alles für mich. «
Dass Richard seine Fehler eingestand, verblüffte Josh, und gespannt wartete er, was noch kam.
» Meine erste Ehe war eine ziemliche Katastrophe, weißt du. Dylans Mutter … « Die folgenden Worte wurden so leise gesprochen, dass Josh sie nicht verstand. Dann aber nahm Richard sich erneut zusammen. » Teresa dagegen war … meine Seelengefährtin « , sagte er.
Plötzlich begriff Josh den Grund für das schlechte Verhältnis zwischen ihnen beiden. Richard hatte ihn als Rivalen
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