Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
sie erwartete. Obwohl sich das Leben der Claybornes völlig verändert hatte – gewisse Dinge blieben gleich, und kleine Schwestern brauchten Trost.
Am nächsten Morgen fühlte sie sich nicht besser, sondern noch schlechter. Douglas verstand, dass sie Rosehill für eine Weile verlassen musste, und beschloss, sie zu den Cohens nach Hammond zu bringen. Da Eleanor inzwischen genesen war, bestand sie darauf, ihre Freundin zu begleiten. Zu seiner Verwunderung zeigte sie sich ehrlich um Mary Rose besorgt, und tat ihr Bestes, um ihr beizustehen.
Als Harrison auf die Ranch zurückkehrte, wollte er wissen, wo seine Frau sich aufhielt. Adam, Cole und Travis konnten ihm ehrlich versichern, sie wüssten es nicht. Aber Douglas spürte die Verzweiflung seines Schwagers und erklärte, Mary Rose brauche etwas Zeit, um sich über ihre Gefühle klar zu werden. »Am besten fährst du so schnell wie möglich nach England, Harrison.«
Natürlich konnte Douglas nicht versprechen, Mary Rose würde ihrem Mann folgen.
Aber davon war Harrison fest überzeugt. Er bat Douglas, ihn telegraphisch zu verständigen, sobald Mary Rose und Eleanor aufbrechen würden. Dann verabschiedete er sich von allen und ersuchte Adam, gut auf MacHugh aufzupassen. Es fiel ihm unendlich schwer, die geliebte Frau zu Verlassen. Und er sagte sich immer wieder, die Trennung würde nicht allzu lange dauern. Weil sie seine Liebe aus ganzem Herzen erwiderte, würde sie ihm schon bald nachkommen.
Nach Harrisons Abreise fühlte sich Mary Rose teils erleichtert, teils todunglücklich. Das ergab keinen Sinn, aber sie war zu verwirrt, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Eine volle Woche lang weigerte sie sich, über ihren Vater zu sprechen. Doch sie musste unentwegt an ihn denken, und nachdem sie ihr Selbstmitleid endlich überwunden hatte, meldete sich ihr Gewissen, weil sie eine so heftige Abneigung gegen ihn hegte.
Eine weitere Woche verstrich, ehe Mary Rose beschloss, ihn aufzusuchen. Sie würde ihre Pflicht erfüllen. Als sie den Brüdern ihre Entscheidung mitteilte, fügte sie hinzu, sie beabsichtige nicht, für längere Zeit in England zu bleiben. Sobald sie die Familie kennen gelernt hatte, würde sie nach Rosehill zurückkehren, wo sie hingehörte.
Ihre Zukunft mit Harrison erwähnte sie nicht, und klugerweise drängten die Claybornes sie nicht zu irgendeinem Entschluss, den sie später vielleicht bereuen würde.
Bevor sie abreiste, besuchte sie Corrie noch einmal, und Travis begleitete sie. Mary Rose nahm ihm das Versprechen ab, der armen Frau einmal wöchentlich Lebensmittel zu bringen. Damit Corrie nicht auf ihn schoss, wollte Mary Rose sie mit ihm bekannt machen.
Wie immer um die Wochenmitte wurde sie von Corrie erwartet. Mary Rose ging in die Mitte der Lichtung, begrüßte ihre Freundin, dann näherte sie sich langsam der Hütte. Auf der Veranda stand der Schaukelstuhl, und während sie die Stufen hinaufstieg, beobachtete sie zufrieden, wie die Schrotflinte vom offenen Fenster verschwand. Lächelnd stellte sie den Korb mit den Geschenken aufs Fensterbrett und nahm Platz. Corrie berührte sie an der Schulter und warf ihr das geliehene Buch in den Schoß.
Wenn Mary Rose auch bezweifelte, dass Corrie lesen konnte, so wollte sie die Frau nicht mit einer unverblümten Frage beleidigen. Der Korb verschwand vom Fenstersims, und sie wartete eine Weile, bevor sie erklärte: »In diesem Korb liegt noch ein Buch. Falls Sie’s nicht lesen möchten, geben Sie’s mir einfach zurück.«
Wieder tätschelte Corrie ihre Schulter, und daraus schloss Mary Rose, dass ihre Freundin lesen konnte und das Buch behalten wollte. Es dauerte eine Weile, bis sie genug Mut aufbrachte, um ihre Reise nach England zu erwähnen. »Soll ich erzählen, wie ich nach Montana geraten bin?«
Natürlich erwartete sie keine Antwort und berichtete, wie ihre Brüder sie in New York City in einem Korb gefunden hatten. Als sie von ihrem Vater sprach, den sie in London treffen würde, begann sie zu weinen.
Sanft streichelte Corrie ihre Schulter, und Mary Rose vertraute ihr alle Ängste an. »Warum fühle ich mich schuldig, weil ich nicht mehr als Mitleid für den Mann empfinde? Ich möchte ihn nicht sehen, aber ich weiß, es ist meine Pflicht. O Corrie, wie furchtbar selbstsüchtig ich bin! Mein Leben gefällt mir so, wie es ist, und nichts daran soll sich ändern. Sicher ist es falsch, so zu empfinden. Was soll ich dagegen tun? Oh, ich mache mir so große Sorgen! Was wird geschehen, wenn
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