Rosen des Lebens
sich selbst oder enthält sich der Stimme, nein, er schließt sich der Mehrheit an und votiert
für Ferdinand. Leser, Sie haben richtig gelesen: Erst nimmt er seinen Thron ein, und nun schenkt er ihm seine Stimme. Ein
unnützes, törichtes Zugeständnis! Denn wie soll Ferdinand je vergessen, mit welcher heillosen Unverfrorenheit Friedrich das
böhmische Szepter ergriffen hat, das ihm entrissen worden war?
Aber die Habsburger sind eine schwerfällige Maschinerie, die sich nur langsam in Gang setzt. Und einen Seufzer lang können
sich die Aufständischen von Prag einiger Erfolge freuen. Der erste ist, daß die Ungarn sie nachahmen, Ferdinand ebenfalls
von ihrem Thron stoßen und sich Fürst Bethlen Gábor von Siebenbürgen zum König wählen, der Preßburg im Handstreich nimmt.
Graf von Thurn, der Anstifter des Prager Fenstersturzes, schließt sich ihm an, gemeinsam ziehen sie mit ihren Truppen vor
die Mauern von Wien und belagern es, bis sie zum Rückzug gezwungen werden.
Es bleibt ein Glanzstück ohne Zukunft. Gewiß hat Kaiser Ferdinand II. kein Heer und auch kein Geld, eines aufzubieten, aber
er hat seinen glühenden katholischen Glauben. Der Papst gibt ihm seinen Segen und gibt ihm Mittel, die spanischen Habsburger
und die von Bayern angeführte katholische Liga |269| unterstützen ihn. Die Rollen werden verteilt. General Spinola, ein Genueser in spanischen Diensten und Oberbefehlshaber der
Niederlande soll die Pfalz erobern, der Herzog von Bayern und Anführer der Liga beauftragt General Tilly, Böhmen zu unterwerfen.
Schon rasseln in ganz Deutschland die Waffen, die katholische Liga streitet für Ferdinand, die Union der protestantischen
Staaten verteidigt den Kurfürst von der Pfalz, aber nur lau, weil die Herren vor allem auf den eigenen Schutz bedacht sind.
Um sich nicht gleich an die Kehle zu springen, treffen die Fürsten der Liga und der Union, jeweils mit mächtigem Truppengeleit,
in Ulm zusammen. Der Markgraf von Brandenburg spricht für die Protestanten, der Herzog von Bayern für die Katholiken.
Bayern schlägt vor, Liga und Union sollten sich jeden feindseligen Aktes gegeneinander enthalten, damit man in Böhmen freie
Hand habe. Brandenburg läßt sich darauf ein, so empörend es auch sei, Böhmen dem Frieden zwischen den beiden Parteiungen zu
opfern, doch verlangt er dafür, daß Bayern wenigstens die niederländischen Spanier davon abhält, die Pfalz anzugreifen. Bayern
weigert sich rundheraus, und die Verhandlungen stehen vor dem Abbruch, da endlich erscheinen in Ulm die Gesandten des Königs
von Frankreich.
Und das Wie und Warum dieser höchst erstaunlichen Gesandtschaft will ich jetzt erzählen. Von Anfang an hatten einerseits der
Kaiser, andererseits die Protestanten Frankreich um Parteinahme angerufen. Leider war Ludwigs erste Regung die Solidarität
mit einem Herrscher gewesen, der ebenfalls gegen die Aufsässigkeit und den Ungehorsam seiner protestantischen Untertanen zu
kämpfen hatte. Beeinflußt von seinem Beichtvater, dem Pater Arnoux, der es ihm in seiner Weihnachtspredigt 1619 zur Pflicht
machte, den Kaiser gegen die Ketzer zu unterstützen, hatte Ludwig versprochen, ein Heer aufzustellen und Ferdinand Beistand
zu leisten.
Aber Gott sei Dank verflüchtigte sich die Wirkung dieser Predigt mit der Zeit. Ludwig besann sich seiner gewohnten Vorsicht
und horchte aufmerksam, was in seinem Kronrat zu diesem Thema gesprochen wurde.
Hinter Puisieux stehend, dem ich mit meinen Kenntnissen der fremden Sprachen und Gebräuche zu dienen hatte, der |270| davon aber für mein Gefühl viel zu selten Gebrauch machte, nahm ich an einer Sitzung teil, die mir denkwürdig schien und mir
auch später noch reichlichen Stoff zum Nachdenken bieten sollte. Wie schon gesagt, war Puisieux seit Villeroys Tod unser Staatssekretär
und Minister für ausländische Angelegenheiten. Ich mochte ihn ohnehin nicht sehr, aber seine Stellungnahme zu den deutschen
Affären fand ich geradezu enttäuschend. Um es bündig zusammenzufassen, denn er ließ sich wortreich aus, meinte er, es sei
das beste, sich um die Geschehnisse bei unseren überrheinischen Nachbarn gar nicht zu kümmern und die Finger davon zu lassen.
Ich war nicht der einzige, der bei seinen Ausführungen dachte, daß Puisieux sich für kein Anliegen interessierte, bei dem
kein Geld für seine Tasche heraussprang.
Dafür hörte ich mit weit offenen Ohren, was Präsident Jeannin 1 sagte, auch wenn es
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