Rosen des Lebens
hierüber im Kronrat nie etwas gehört hatte, »haben wir diese Schuld denn nicht
beglichen?«
»Niemals! Und das zu unserer größten Schande, mein Sohn! Als die Pfalz uns, unterm Ansturm von Spinolas Waffen dazu drängte,
stellten wir uns plötzlich taub.«
Ich war sprachlos vor Kummer und Betrübnis, als ich dies hörte. Dem Pfalzgrafen seine Gelder nicht herauszugeben, als er sie
am nötigsten brauchte, hieß tatsächlich, dem deutschen Kaiser die unwürdigsten und schmählichsten Dienste zu erweisen. Ach,
dachte ich, Ludwig, Ludwig der Gerechte, wie wahrlich schlecht warst du beraten in dieser traurigen Affäre!
Aber schließlich obsiegte meine Treue, und weil ich vor meinem Vater nicht die Waffen strecken wollte, fragte ich: »Aber,
glaubt Ihr nicht, Vater, daß man einen offenen Krieg zwischen Habsburg und Frankreich riskiert hätte, wenn man Spinola an
der Pfälzer Grenze entgegengetreten wäre?«
»Das glaube ich nicht«, sagte mein Vater. »Die Zeiten, da man mit Trompetenschall einen großen Überfall auf ein mächtiges
Nachbarreich verkündete, sind vorbei. Der Untergang der ›unbesieglichen Armada‹ vor der englischen Küste hat die Habsburger
vorsichtig gemacht. Denkt nur daran, wie sie es mit uns machten unter der Herrschaft unseres Henri! Durch Überrumpelung und
Verrat, ohne jede Kriegserklärung, schnappten sie sich Amiens. Aber sowie Henri ihnen auf die Finger haute und sie aus der
Stadt verjagte, zogen sie sich zurück, die Heuchler, ohne einen Laut, als ob nichts passiert wäre. Genau das ist |275| jetzt ihre Taktik! Weil sie uns nicht auf einmal schlucken können, versuchen sie es Scheibchen für Scheibchen.«
Hiermit schwieg mein Vater, seine Erregung hatte sich allmählich gelegt. Er zog seine Uhr aus dem Ärmelaufschlag, schaute
bedächtig darauf und sagte, er verlasse uns jetzt, er wolle eine Mittagsruhe halten, denn die benötige man in seinem Alter.
Ein Lächeln umspielte La Suries Lippen, und seine verschiedenfarbigen Augen blitzten, sein braunes Auge mit Zuneigung, sein
blaues mit einem Schuß Spott.
In der Folgezeit erhielt ich allen Grund festzustellen, daß mein Vater recht hatte mit seiner Einschätzung der Habsburger
und ihrer Strategie des Scheibchen-für-Scheibchen, denn es waren noch keine sieben Monate seit der Schlacht am Weißen Berg
vergangen, da fielen sie unvermutet in das Veltlin in den Alpen ein.
Aber ich will hier nicht vom Veltlin anfangen, denn es war so viele Jahre ein solcher Zankapfel zwischen Habsburg und Frankreich,
daß ich bestimmt noch Gelegenheit haben werde, darauf zurückzukommen. Trotzdem kann ich dieses Kapitel über die deutschen
Affären nicht beschließen, ohne den Brief anzuführen, den ich wenig später von Frau von Lichtenberg erhielt. Sie hatte ihn
an die Rue du Champ Fleuri adressiert, und dort wurde er mir von meinem Vater ausgehändigt. Ich wollte das Siegel nicht sofort
brechen und wartete damit, bis ich in meinem Zimmer war, denn von der Kusine des Pfälzer Kurfürsten konnte ich nur betrübliche
Nachrichten erwarten. Doch schon die ersten Worte übertrafen meine schlimmsten Ahnungen.
»Mein Freund,
Es ist um meinen Sohn, um meine Güter und um mich geschehen. Ich schreibe Ihnen von Den Haag, wohin ich geflüchtet bin, aus
einem so bescheidenen Haus, daß es Sie verwundern würde. Nach der Niederlage seiner Truppen am Weißen Berg überließ mein Vetter
seine böhmischen Untertanen schmählich dem ›Blut und Feuer‹, das Tilly ihnen prophezeit hatte, und floh in seine Pfalz, wo
er den vereinigten Angriffen Bayerns und der niederländischen Spanier auch nicht tapferer standgehalten hat. Er floh wiederum,
diesmal nach Holland, wo er edelmütig aufgenommen wurde, er, seine Frau, seine Kinder |276| und seine Familie, zu der ich unglücklicherweise gehöre. Sein Schwiegervater, Jakob I. von England, hat beim Kaiser bewegte
Klage über die Besetzung der Pfalz erhoben. Aber da bislang kein englischer Soldat auch nur eine Zehenspitze auf den Kontinent
gesetzt hat, um dieser Klage Nachdruck zu verleihen, hat der Kaiser nur gelacht.
Mir hat es gar nichts genützt, daß ich den traurigen Ausgang dieses tollen Abenteuers so früh voraussah und nach Heidelberg
geeilt bin, meine Güter zu verkaufen. Ich mußte mich mit einem sehr niedrigen Erlös zufriedengeben, diese schlauen Händler
ahnten die Niederlage unserer Waffen genauso wie ich.
Mein armer Sohn hat in der Schlacht am Weißen
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