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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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die Herzogin scharf. »Noch ein Wort, und ich will Euch eine Woche lang nicht sehen!«
    Diese Drohung rührte meine Halbschwester wenig, ihre Mutter kam genauso wenig ohne sie aus wie sie ohne ihre Mutter. Louise-Marguerite
     besuchte sie alle Tage, und wenn sie abends mit ihr im Hôtel de Guise speiste, schlief sie auch mit in ihrem Bett. Und hinter
     den geschlossenen Vorhängen, bei gedämpftem Kerzenschein, erzählten sie einander ihre Erlebnisse und »sagten sich alles«.
    »Pierre-Emmanuel«, sagte die Herzogin, »Ihr meint also, wir werden den Prozeß verlieren?«
    »Auch das Schlimmste ist nie sicher, Madame. Man muß bei den Richtern vorsprechen und sie mächtig schmieren. Nur wird Nevers
     das gleichfalls tun, und ich brauche Euch nicht zu sagen, daß Nevers ein hoher Herr ist. Außer dem Herzogtum Nevers und Rethel
     erbt er beim Tod des Herzogs Vincent II. noch die Herzogtümer Mantua und Montferrat.«
    »Aber doch nicht so hoch wie der Herzog von Guise«, sagte Charles, indem er den Kopf aufwarf.
    Nun, das galt zu der Zeit, als sein Vater König Heinrich III. aus Paris vertrieben hatte und die Stadt unumschränkt beherrschte,
     es galt nicht mehr, seit ihm sein Sohn nachgefolgt war.
    »Gut gesprochen!« rief Claude, der im Unterschied zu seinem älteren Bruder durch seine Heldentaten immerhin zum Ruhm seines
     Hauses beigetragen hatte.
    Hierauf blieb ich stumm, und Louise-Marguerite, der ihre Mutter den Mund verboten hatte, zuckte die Achseln.
    »Kommen wir zurück auf den Streit«, sagte meine liebe Patin, die mit ihrem Ältesten wenig zufrieden war, es aber nicht sagen
     konnte. »Claude, Ihr wart dabei. Was ist passiert?«
    »Ja, Frau Mutter«, sagte Claude, »ich war dabei. Durch einen ganz dummen Zufall trafen Nevers und der Kardinal im Vorzimmer
     des Richters aufeinander, nachdem beide bei ihm vorgesprochen hatten.«
    »Und was passierte?«
    »Sie maßen sich mit wütenden Blicken, Madame, sie beschimpften sich, bis es Schläge setzte.«
    »Schläge?« rief die Herzogin. »Wer schlug als erster?«
    »Ich schäme mich, es zu sagen, Madame: Euer Sohn.«
    |288| »Gott im Himmel!«
    »Aber Nevers schlug sofort zurück.«
    »Gerechter Himmel! Ein Herzog! Ein Kardinal! Prügeln sich wie zwei Straßenbengel! Eine Schande! Und wer hat sie getrennt?«
    »Ich, Madame«, sagte Claude. »Nicht ohne im Getümmel ein paar Hiebe und Kratzer abzubekommen. Endlich lief man von allen Seiten
     herbei und half mir, sie auseinanderzubringen. Der Herzog von Nevers war so außer sich, daß er beim Fortgehen schrie, er werde
     den Kardinal auf die Wiese bestellen, und der Kardinal schrie, er werde dem Ruf folgen.«
    »Warum nicht?« sagte Charles, den dieser Bericht heftig erregt hatte.
    »Hört auf, Charles! Ihr träumt wohl?« sagte meine Patin. »Ein Kardinal und sich duellieren!«
    »Zumal Louis sicher dabei draufginge«, sagte Claude mit einem mißbilligenden Blick nach dem älteren Bruder. »Er hat in Reims
     mehr Zeit darauf verwandt, seiner Charlotte Kinder zu machen, als bei seinem Waffenmeister zu fechten. Und Nevers beherrscht
     die berühmte Finte, die keiner parieren kann und die sogar nach ihm benannt wird.«
    Die Herzogin von Guise erblaßte.
    »Madame, seid ganz ruhig«, sagte ich. »Dort, wo Louis jetzt ist, muß er Nevers’ Finte nicht fürchten.« Der König hatte ihn
     nämlich in die Bastille gesteckt.
    »Ein Guise in der Bastille!« schrie Charles wütend. »Was für eine Schmach! Das werde ich dem König nie verzeihen!«
    »Ihr setzt mich in Erstaunen, Charles«, sagte Louise-Marguerite. »Hättet Ihr es lieber, wenn der törichte Louis sich schlüge
     und wegen dieses nichtigen Streits umbringen ließe?«
    »Das ist kein nichtiger Streit«, sagte der Herzog. »Für Louis geht es darum, sich zu vergrößern.«
    »Wozu braucht er diese Vergrößerung, könnt Ihr mir das erklären? Der Zehnte bereichert ihn schneller, als Ihr im Spiel verarmt.«
    »Charles! Louise!« sagte Madame de Guise in äußerstem Zorn. »Ich ermahne Euch zum letztenmal, mit diesem dauernden Gekeife
     aufzuhören! Noch ein Wort, ein einziges, und ich lasse Euch hier sitzen!«
    In dem Augenblick klopfte es an der Tür, und Madame de |289| Guise rief in so aufgebrachtem Ton: »Herein!« daß der arme Réchignevoisin hochrot und zitternd vor Schreck hereintrat.
    »Madame«, sagte er flehentlich, »ich bitte untertänigst um Vergebung.«
    »Zur Sache, Réchignevoisin, zur Sache!«
    »Madame«, sagte Réchignevoisin, um Würde

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