Rosen des Lebens
haben wollte.
Diese Messe samt Predigt dauerte eine gute Stunde und verschlang den Vormittag, und es blieb mir nicht verborgen, daß Ludwig
als Mann der frischen Luft und des Waidwerks ungeduldig auf seinen Ausritt wartete. Leider konnte er an diesem Tag nicht wie
sonst gleich danach in die Stiefel und den Sattel springen, denn in seinen Gemächern trafen wir auf Puisieux, der niederkniete
und mit ernster Miene sagte, Marquis de Mirabel, der spanische Gesandte, bitte Seine Majestät, ihn zur Stunde zu empfangen,
er bringe eine folgenschwere Nachricht.
Ludwig warf einen bedauernden Blick durchs offene Fenster, denn der Aprilhimmel war mild und klar, aber er kannte den Marquis
de Mirabel zu gut, um den Ernst seines Anliegens zu bezweifeln, und ohne die Lippen aufzutun, machte er Puisieux ein zustimmendes
Zeichen. Rasch eilte er zum Audienzsaal und erstieg das Podest, das ihn von den gemeinen Sterblichen trennte. Hinter seinem
Sitz stand Soupite, während Puisieux und ich die Stufen einnahmen.
Der Marquis de Mirabel, der für gewöhnlich mit zahlreichem |294| Gefolge erschien, kam diesmal nur in Begleitung eines Mönchs, dessen graues Kleid besagte, daß er dem Bettelorden angehörte,
asketischer noch als der Franziskanerorden, aus dem er hervorgegangen war. Sah man jedoch auf die irdische Hülle dieses Geistlichen,
schien seine karge Speise ihm tüchtig zu frommen, denn die Kordel um seinen Wanst war straff gespannt.
Der Marquis de Mirabel grüßte Ludwig, indem er seinen Hut bodentief schwenkte, Ludwig erwiderte seinen Gruß, Mirabel erwiderte
den Gruß seines Grußes, und es war des Hüteschwenkens kein Ende, bis Ludwig seinen Hut entschlossen aufsetzte und damit bedeutete,
daß der Höflichkeit Genüge getan war.
»Bitte, sprecht, Herr Gesandter!«
Das Gesicht des Gesandten versank nun zwei oder drei Grade tiefer in eine protokollarische Betrübnis, und mit gesenktem Haupt
sagte er düster:
»Mi señor el rey de España ha muerto.«
1
Worauf der Bettelmönch mit klangvoller Stimme hinzusetzte:
»Dios lo ha recibido en su seno.«
2
Nun verstand ich, warum der Bettelmönch den Gesandten begleitete. Mit aller Autorität seines Kleides bekräftigte er, daß dieser
Tod keiner war, denn der Herr hatte den seligen König sogleich in seinen Schoß aufgenommen.
Der Etikette zufolge hätte der Gesandte, da er zum König von Frankreich sprach, sich französisch ausdrücken müssen. Unter
anderen Umständen hätte Ludwig auf dieser Rücksicht, die man ihm schuldete, auch bestanden und Puisieux aufgefordert, den
spanischen Gesandten daran zu erinnern. Aber dies war nicht die Stunde solcher Empfindlichkeiten. Gewiß hatte Philipp III.
Frankreich keinen Anlaß gegeben, sich seiner Politik in der Veltliner Frage und bei der Besetzung der Pfalz zu freuen. Aber
Ludwig wußte, wie schwer die kleine Königin der Tod ihres Vaters, so bald nach dem Verlust ihres Kindes, treffen und erneut
in Verzweiflung stürzen würde. Andererseits, da der Prinz von Asturien seinem Vater auf den Thron folgte, wurde Ludwigs geliebte
Schwester Elisabeth nun Königin von Spanien, |295| und das Kind, das sie ihrem königlichen Gemahl schenkte, würde seinerseits eines Tages regieren und wäre ein halber Bourbone.
»Herr Gesandter«, sagte Ludwig, »ich bin tief bewegt und bekümmert ob dieser traurigen Nachricht. Ich bitte Euch, meinem Schwager,
dem Prinz von Asturien, zu übermitteln, wie sehr sie mich betrübt und daß ich alle Wünsche hege, seine Herrschaft möge glücklich
werden.«
Die Kondolenz fiel ein bißchen knapp aus, aber im großen ganzen war alles gesagt. Die Welt wußte ja, daß Ludwig ein wortkarger
Mann war. Der Marquis de Mirabel verneigte sich von neuem bis zur Erde, und Ludwig erwiderte seinen Gruß.
»Sire«, setzte der Gesandte hinzu, der diesmal Französisch sprach, »beliebe Eurer Majestät mir zu erlauben, daß ich der Königin,
Eurer Gemahlin, die traurige Nachricht persönlich überbringe.«
»Ich begleite Euch«, sagte Ludwig.
Nach neuerlichem Hüteschwenken raunte Ludwig Soupite ein paar Worte zu, der sofort den Raum verließ. Ludwig erhob sich, stieg
die Stufen hinab, und gefolgt von Mirabel, von Puisieux, mir und dem Franziskaner, begab er sich zu den Gemächern der Königin.
Er ging ungewohnt langsam, wahrscheinlich um Zeit zu gewinnen, damit Soupite Anna vorbereiten konnte.
Wenn ich mich recht entsinne, war Philipp III. von Spanien einundvierzig Jahre alt,
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