Rosen des Lebens
als er starb, und wie Richelieu mir später
sagte, hatte er auf seinem Sterbebett nicht ohne Bitterkeit beklagt, daß der Herr ihn so früh von der Welt abberief. Er hatte
eine hohe Stirn, die ganz zu Unrecht auf Geist hindeutete, und ein langes, schweres Kinn, das zu Recht beherrschende Instinkte
verriet. Er war wirklich sehr ausschweifend und gleichzeitig sehr fromm. Geteilt zwischen heidnischen Lustbarkeiten und religiösen
Zeremonien, scheute er die Mühen der Macht und überließ die Zügel seinem Favoriten, dem Fürsten von Lerma, was er sich bei
seinem Tode vorwarf.
Ein spanischer Herr, dessen Namen ich verschweige, sagte mir, der Hof zu Madrid habe an ihm nur eine Tugend gekannt: Er war
sehr liebevoll zu seinen Kindern, besonders zu unserer jungen Königin, die seine Liebe hundertfach erwiderte. Meine schöne
Leserin wird sich erinnern, daß Philipp III. seinerzeit, |296| als man die beiden Prinzessinnen an der spanischen Grenze austauschte – Madame heiratete den Prinzen von Asturien und Anna
von Österreich den König von Frankreich –, entgegen dem Rat seiner Herren, die ihm Vorsicht empfahlen, seine geliebte Tochter
bis auf die kleine Insel in dem Grenzfluß Bidassoa begleitete. Maria von Medici hingegen begleitete ihre Tochter nur bis Bordeaux
und überließ sie von da an ihrer militärischen Eskorte.
Die Herrschaft Philipps III. hatte unter schlimmen Auspizien begonnen. Ein Jahr vor seiner Thronbesteigung hatte Spanien Bankrott
gemacht und jede Zahlung an seine Gläubiger eingestellt. Und als ob das zum Unglück seines Reiches noch nicht genügte, wütete
im Jahr seiner Thronbesteigung in Kastilien die Pest. Anstatt aber den Staat wieder aufzurichten, lieh Philipp III. sein lässiges
Ohr unsinnigen Maßnahmen: Man schlug zum Ersatz des Silbergeldes Kupfermünzen, und das Ergebnis war ein erneuter Bankrott.
Auch flammte unter seiner Herrschaft der stumpfsinnige Fanatismus der Inquisition wieder auf, der im sechzehnten Jahrhundert
bereits die Juden ausgetrieben hatte und der nun dreihunderttausend Mauren ins Exil trieb, so daß das Reich um geschickte
und oft berühmte Handwerker beraubt wurde. Juden und Mauren waren unter Todesandrohung zum Katholizismus bekehrt worden, und
als man entdeckte, daß ihre Bekehrung nicht sehr aufrichtig gewesen war, verjagte man sie. Aber wie hätte sie auch aufrichtig
sein können, wenn sie mit dem Messer an der Kehle erpreßt worden war?
Von der Prinzessin Conti hörte ich nachher, daß Anna sehr erschrocken war, als Soupite ihr den Besuch des spanischen Gesandten
und des Königs zu so früher Stunde ankündigte. Sie hatte den Kammerdiener ausgefragt, der erklärte, nichts zu wissen, aber
mit so bebender Stimme, daß sie eher vom Gegenteil überzeugt war, und als sie dem König ihre Reverenz erwies, taumelte sie,
so heftig war ihre Erregung.
Der französischen Etikette gemäß kniete der Marquis de Mirabel vor ihr nieder und küßte den Saum ihres Kleides. Doch als er
sich erhob, sprach er seine Nachricht auf spanisch und gab ihr in dem Wissen, wie diese auf eine so liebende Tochter wirken
würde, auch noch dramatische Emphase.
»Su Majestad, acabo de recibir al instante cartas de España
|297|
en las que me dicen que, cierto es, que el rey de España, el padre de su Majestad, ha muerto.«
Worauf der Franziskaner mit fester, sonorer Stimme hinzusetzte:
»Dios lo ha recibido en su seno.«
Die arme Anna erblaßte, als sie diese Worte hörte, und wäre wohl ohnmächtig zusammengebrochen, wenn Madame de Luynes und meine
Halbschwester sie nicht aufgefangen hätten. Auf Ludwigs Zeichen brachte Madame de Motteville einen Lehnstuhl. Man setzte die
Königin nieder, half ihr mit Riechsalzen und fächelte ihr Luft zu. Endlich schlug sie die Augen auf, doch als ihr mit dem
Leben das Bewußtsein wiederkehrte, konnte sie trotz allem Bemühen ihr Schluchzen nicht unterdrücken, und ihre Tränen flossen.
***
Wenn ich mich recht erinnere, geschah es etwa zehn Tage, bevor uns der Tod des spanischen Königs bekannt wurde, daß Ludwig
seinen Favoriten in Luynes’ Gemächern und in Anwesenheit aller hohen Persönlichkeiten des Hofes zum Konnetabel von Frankreich
ernannte.
Ich war sprachlos und damit sicher nicht der einzige am Hof. Nicht daß man laut aufschrie, doch es gab Zähneknirschen und
vor Abscheu verzerrte Gesichter, daß dieser kleine Vogelsteller, der vom Krieg weniger verstand als der dümmste Feldwebel
und
Weitere Kostenlose Bücher