Rosen des Lebens
sei Dank, das ist erledigt!«
Ach, wie er sich täuschte! Und wie schlecht er das schwache Geschlecht kannte, das sich alles andere als schwach erweist,
sobald es sich verletzt fühlt. Er hatte die Königin und ihre Freundinnen mit derselben Härte bestraft, wie er einen marodierenden
Soldaten zum Wippgalgen verurteilte. Nur zu bald sollte er entdecken, daß ein König zwar sein Heer zum Gehorsam zwingen kann,
aber nicht seine Gemahlin.
Anna war jetzt in ihrem einundzwanzigsten Jahr, aber vom Wesen her war sie viel jünger, ohne großen Ballast im Kopf und mit
einer armseligen Bildung am Madrider Hof ausgestattet. Vor allem aber lebte sie seit jeher im frivolen Geplapper eines Frauenhauses,
zuerst mit ihren spanischen Damen, die nichts wie dumme Streiche im Kopf hatten, dann mit ihren französischen Freundinnen,
deren Reden ebenso frei waren wie ihr Betragen. Sie liebte es, sich mit ihnen zu ergötzen und zu albern, freizügige Bücher
zu lesen und gegebenenfalls mit den schönen Herren des französischen Hofes zu flirten, ohne daß es aber Konsequenzen hatte.
Und weil sie diese Spiele nie zu weit trieb – mit diesen Edelleuten so wenig wie später mit Buckingham – , glaubte sie sich
ohne Makel und verzieh sich alles.
Im Herzen noch immer die spanische Infantin voll kastilischem Stolz, hatte sie von sich die höchste Meinung und fühlte |343| sich über die Gesetze des Reiches erhaben, dessen Königin sie war. Später, als Witwe mit einem vierjährigen Sohn, verteidigte
sie ihren Thron mit Zähnen und Krallen und betrachtete dieses Land, das ihrem Ältesten gehörte, auch als ihr eigen und wurde
Französin. Im Augenblick aber war sie es sehr wenig und sollte dies auch höchst unglücklich im französisch-spanischen Krieg
unter Beweis stellen, als sie sich des Einvernehmens mit dem Feind schuldig machte.
Doch zurück zur Sache: Dieser März 1622 war der armen Anna wahrlich nicht hold gewesen. Ihr brausendes, leichtes Blut tröstete
sie jedoch über die Enttäuschung, sie war noch so jung, die Natur würde ihr eines Tages schon erlauben, ein Kind auszutragen.
Dieses Vertrauen in die Zukunft lieh ihr für die Gegenwart eine wunderbare Unverwundbarkeit: Ihr törichter Lauf durch den
großen Louvre-Saal war doch letztlich nur eine Kinderei, die übel ausgegangen war. Sie war gar nicht auf den Gedanken gekommen,
daß der König von Frankreich diese kleine Dummheit als Verbrechen gegen seine Dynastie betrachten könnte.
Ihre vertraute Freundin, Madame de Luynes, die erfahrenste Anwältin des Teufels, die dieses Land aufzuweisen hatte, raunte
ihr ins Ohr, daß sie weit mehr zu bedauern sei als zu schmähen, daß der König ihr gegenüber eine maßlose Härte an den Tag
lege und daß sie, gleichrangigen Blutes mit ihm, sich seiner Tyrannei nicht beugen müsse. Zwei Unzertrennliche zu trennen,
war das nicht eine Niedertracht? Was hätte Ludwig wohl gesagt, wenn Maria von Medici in ihrer Regentschaft ihm plötzlich Luynes
geraubt hätte? Mußte Ludwig sich denn grausamer gegen seine Gemahlin erweisen als die liebloseste Mutter gegen ihn?
Diese Reden berührten den empfindlichen Punkt im Herzen der armen Königin. Ohne Madame de Luynes fühlte sie sich zu einem
trostlosen Dasein verdammt. Und Madame de Luynes wiederum versicherte ihr, daß sie ohne die Königin nicht leben könne, daß
sie diese verhaßte Ungnade nicht überstehen werde. Und schluchzend umarmten sich die beiden Frauen und schworen sich ewige
Freundschaft.
Hätte Anna ihren Mann besser gekannt – denn das Unverständnis füreinander war auf beiden Seiten groß –, hätte sie sich gar
nicht erst in den Kopf gesetzt, seine Entscheidung umzustoßen, |344| indem sie ihm fast auf jeder Marschetappe einen Fürsprecher schickte, der den Fall ihrer Favoritin vertrat: Zweimal war es
ihr Rittmeister, Monsieur de Putange, dann Monsieur de Bonneuil, dann Monsieur de Montbazon, der Vater der Favoritin, dann
Monsieur de Verneuil, dann der Herzog von Guise und schließlich, höchst ungeschickt, der Liebhaber von Madame de Luynes, mein
Halbbruder Claude, der Herzog von Chevreuse.
Der Ärger des Königs wuchs bei jedem dieser Gesandten, und allen und jedem gab er dieselbe Antwort: »Der Entschluß, den ich
gefaßt habe, war mit guter Überlegung gefaßt. Ich kann nichts ändern.«
Erbittert durch soviel Hartnäckigkeit, schrieb er dem würdigen Präsidenten Jeannin, er möge zur Königin gehen und ihr sagen,
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