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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Hütte zu beackern hat, um wenigstens Brot für ein halbes Jahr zu haben (wohlgemerkt, wenn er den Weizen mit Roggen und
     sogar mit Hafer vermischt), danach müssen rohe oder gebackene Kastanien dieses elende Brot ersetzen, damit er durchs Jahr
     kommt, ohne zu verhungern.
    »Vater«, sagte ich und ließ den köstlichen Bissen Fleisch, den ich zum Mund führen wollte, auf meinen Teller zurücksinken,
     »was meint Ihr dazu: Sollte ich, wenn ich meine Herrschaft in Besitz nehme, diese althergebrachten Abgaben für Mühle, Ofen
     und Presse nicht abschaffen?«
    »Da würdet Ihr auf Eure Herrenrechte verzichten!« rief La Surie entrüstet. Schließlich war er erst im reifen Alter zu Adel
     und Grundbesitz gelangt, denn bis zu seinem fünfzehnten Jahr war er ein kleiner Landstreicher gewesen, ohne Familie, ohne
     Dach überm Kopf, und hatte vom Stehlen und Wildern gelebt, bis mein Vater, der gleichaltrig mit ihm war, ihn unter seine Fittiche
     nahm. »Wenn Ihr das tut«, fuhr er leidenschaftlich fort, |55| »werden Eure adligen Nachbarn Euch hassen und Eure Dörfler Euch für einen Narren halten!«
    Der Marquis de Siorac aber lächelte, und nachdem La Surie seiner Empörung freien Lauf gelassen hatte, die sich noch ein Weilchen
     fortsetzte, sagte er: »Pierre-Emmanuel, wenn Ihr Euer Herrenrecht an der gemeinnützigen Mühle aufgebt, wie wollt Ihr sie dann
     unterhalten, reparieren und die Männer bezahlen, die sie in Gang halten? Die Mühle nützt allen auf dem Gut und muß auch von
     allen getragen werden, aber selbstverständlich zu einem gerechten Preis.«
    Ich dachte und denke seitdem, daß es hierauf noch eine andere Antwort geben muß; weil ich sie aber nicht fassen konnte, schwieg
     ich.
    »Mein lieber Herr Sohn«, fuhr der Marquis de Siorac nach einer Weile fort, »wenn man von einigen kurzen Aufenthalten in Mespech
     absieht, habt Ihr bisher nur am Hof gelebt, im Louvre und in den schönen Schlössern des Königs: Saint-Germain, Vincennes,
     Fontainebleau, Madrid, weit, weit ab vom Land draußen und von denen, die dort leben. So habt Ihr leicht vergessen, daß der
     Adel sich auf das Land, auf den Besitz von Land, gründet. Dies ist so wahr, daß Ihr keinen wohlhabenden Kaufmann oder durch
     sein Amt reich gewordenen Bürger findet, der sich nicht bemühen würde, ein großes Stück Land zu erwerben, damit er sich dessen
     Namen beilegen kann.«
    »Beweis«, sagte La Surie, der gerne darauf verwies, daß mein Urgroßvater väterlicherseits ebenso von unten kam wie er selbst,
     »Euer Ahn, Charles Siorac, Apotheker zu Rouen. Sowie er zu Geld gekommen war, kaufte er sich eine Mühle namens La Volpie und
     nannte sich von Stund an, indem er ein »von« zwischen seinen Vornamen und Siorac einschob, Charles von Siorac, Herr von La
     Volpie.«
    »Trotzdem maßte er sich nicht an, von Adel zu sein«, versetzte mein Vater. »Auf den Notariatsurkunden, die seine Unterschrift
     bewahren, hat er seinem Namen nicht die sonst übliche Bezeichnung ›Edelmann‹ vorangestellt.«
    »Herr Vater«, sagte ich ernst, »Ihr wißt ja, mir ist meine Siorac-Linie, der Urgroßvater einbegriffen, weit teurer und näher
     als meine Guise-Linie, denn ich glaube, ich verdanke ihr einige Vorzüge, die Ihr mir zuerkennen werdet.«
    »Und ich glaube, damit habt Ihr recht«, sagte der Marquis de |56| Siorac, aber mit einem Lächeln, als mache er sich ein wenig lustig über unseren Familienstolz, dem er selbst doch tagtäglich
     huldigte.
    Das Mahl war beendet, mein Vater ging und setzte sich vor den Kamin, um seinen Rücken zu wärmen, dann sagte er mit einer gewissen
     Feierlichkeit: »Um auf Orbieu zurückzukommen, würde ich sagen: Der Erwerb dieses Gutes ist für Euch, mein Herr Sohn,
luce candidior nota
1
,
wie der Lateiner sagt. Denn bisher trugt Ihr nur Titel ohne Grundlage, wie man sie nachgeborenen Söhnen verleiht. Unser Henri
     ernannte Euch zum Chevalier sowohl in Anerkennung der Dienste, die meine Familie dem Thron geleistet hat, wie auch aus Liebe
     zu seiner Cousine Guise. Aber mit diesem Tag erhaltet Ihr einen echten Titel, einen, der sich auf Landbesitz gründet. Damit
     erwerbt Ihr zugleich die Ehrbarkeit, die Autorität und die Sicherheit, die ein kleines Reich beschert, in dem Ihr König seid.
     Und wenn Ihr Euren Besitz gut bewirtschaftet, wird er Euch auf Dauer mehr einbringen, als was die faule Gräfin von Orbieu
     sich von ihrer Anlage in Italien je erwarten kann.«
    »Aber dazu«, sagte La Surie ungestüm, »dürft

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