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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Ihr nicht als erstes Eure Grundherrenrechte preisgeben, glaubt mir! Ich war selbst
     ein armer Hungerleider, und Ihr werdet mich nicht für herzlos halten. Euch stehen tausend Mittel offen, Euren ärmsten Häuslern
     das Leben zu erleichtern, aber, bei allen Heiligen! rührt nicht von vornherein an Gewohnheitsrechte! Auf dem Land sind Gewohnheitsrechte
     heilig! Sogar die davon Benachteiligten pochen auf sie! Ihr werdet es bald genug erfahren.«
    ***
    Im Ministerium der Graubärte war Präsident Jeannin Oberintendant der Finanzen. Und weil Déagéant ihm unmittelbar unterstand,
     ja ihn zu ersetzen hoffte, wenn der Herr ihn zu sich riefe, erhielt ich mit einer Geschwindigkeit, die an Wunder grenzte,
     die Gelder, dank derer ich ohne Verzug das Gut Orbieu kaufen konnte, und kaum hatte ich es gekauft, überreichte mir Kanzler
     Sillery auch die Patentbriefe, die mir den Titel Graf von Orbieu zusprachen.
    |57| Meine schöne Leserin möge mir die eitle kleine Freude vergeben, mit der ich das Wappen der Grafen von Orbieu auf mein Briefpapier
     und mein Siegel prägen und an die Schläge der Kutsche malen ließ, die mein Vater und La Surie in ihrer unendlichen Güte mir
     zum Geschenk machten. Aber, du liebe Zeit! wenn man sich diese kleinen Wonnen versagen würde, die uns so stolz und selbstzufrieden
     machen (die ein asketischer Weiser in seiner Klause natürlich mit Recht unwichtig und lächerlich fände), würde man sich dann
     nicht selber jene paar glänzenden Federchen ausrupfen, die unseren Alltag doch so verschönen, denn bietet uns dieses Leben
     nicht Gründe genug zu klagen, besonders in Anbetracht seiner Kürze?
    Ich hatte beschlossen, meine Grafschaft am elften Februar in Besitz zu nehmen. Es war ein Sonntag, ich würde die Leute von
     Orbieu in der Kirche sehen, und sie sähen mich. Aber der König schlug mir den erbetenen Urlaub rundweg ab, für diesen Sonntag
     nämlich stand im Kronrat eine große Debatte über die Wiederkehr der Jesuiten nach Paris an, und er wollte, daß ich daran teilnahm.
     Bei einiger Überlegung war ich darüber nicht allzu betrübt, es herrschte eine Eiseskälte, und der Gedanke, mit meinem schönen
     Kutschengespann einen ganzen Tag über gefrorene Landwege zu traben, war keine Verlockung.
    Die Jesuitenfrage erregte die Gemüter außerordentlich, im Rat, am Hof, an den Gerichtshöfen, in den Bettgassen unserer Damen,
     ja es gab keiner guten Mutter Sohn oder Tochter in Frankreich, die dazu nicht ihr Wort gesprochen hätten. Der Leser wird sich
     erinnern, daß der junge Châtel, ein Jesuitenschüler, am 27. Dezember 1594 ein Attentat auf Henri Quatre verübt hatte, ihn
     zum Glück aber nur am Mund verletzte. Woraufhin der König augenblicks, mit noch blutenden Lippen, einen jener Scherze machte,
     die soviel zu seiner Popularität beitrugen: »Anscheinend reichte es nicht, daß die Jesuiten im Munde so vieler Wohlmeinender
     in dem Ruf stehen, mich nicht zu lieben. Mußten sie auch noch durch
meinen
Mund bestätigt werden?«
    Wie die Untersuchung ergab, war der junge Châtel, Schüler des Collège de Clermont zu Paris, von seinem Beichtvater als erstes
     überzeugt worden, daß er schwule Unzucht begangen und obendrein vom Inzest mit seiner Schwester geträumt hatte. Hierauf steckten
     ihn die guten Patres in ihre sogenannten |58| ›Kammern der Meditation‹, einen finsteren Ort, wo grünliche Lichter blitzten, wo plötzlich schauerliche Stimmen erschallten
     und grausige Teufel auftauchten, die dem Unglücklichen drohten, ihn zu packen und ins Höllenfeuer zu schleppen. Kraft so übernatürlicher
     Mittel begriff Châtel, daß ihn seine Sünden mit Sicherheit den ewigen Flammen auslieferten, wenn er sich nicht loskaufte durch
     eine große Tat zum Nutzen der katholischen Kirche: Zum Beispiel, indem er den König ermordete, was eine läßliche Sünde war,
     weil Henri, so lehrte man ihn, vom Papst als Ketzer exkommuniziert worden war und also außerhalb der Kirche stand.
    Nach diesen Enthüllungen machte der Oberste Gerichtshof kurzen Prozeß, die Jesuiten wurden verhaftet, verurteilt und wenig
     nach dem Attentat Jean Châtels zu zwölfjährigem Exil verdammt. Trotzdem schwante es Henri Quatre, daß er mit ihnen noch längst
     nicht fertig war. Und richtig, acht Jahre später forderte der Papst, um ihn von seiner Exkommunikation loszusprechen, daß
     er die Jesuiten aufs neue in sein Reich einließ. Gezwungenermaßen erlaubte Henri ihnen die Rückkehr, gab ihnen La Flèche,
    

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