Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
bestahlen, weder Fisch noch Fleisch waren: Sie nannten sich Orden, aber
     wo waren ihre Kutten und Klöster? Sie trugen die Soutane, nahmen Beichten ab, gaben die Kommunion, lasen Messen, doch sie
     lebten im Zeitlichen, schlüpften gelegentlich sogar in Zivilkleider, gürteten sich mit einem Degen und ritten große Pferde
     und nicht, wie die Priester, bescheidene Maultiere. Vor allem aber weigerten sie sich, die Autorität der Bischöfe anzuerkennen.
    Für die Gallikaner, zahlreich im Obersten Gerichtshof vertreten, waren die Jesuiten überaus verdächtig, weil ihr Gelübde unbedingten
     Gehorsams –
perinde ac cadaver
1

einem Ordensgeneral galt, der Spanier war, ernannt von einem Papst, der Italiener war, so daß man sich fragen mußte, ob die
     Politik, die von der Gesellschaft Jesu mit okkulten und zuweilen blutigen Mitteln verfochten wurde, mit den Interessen Frankreichs
     überhaupt vereinbar war. Und vor allem, da der Vatikan die These vertrat: Wenn der Papst die Könige einsetzte, konnte er sie
     auch absetzen, mußte man sich fragen, ob diese in unserem Land so reich und mächtig gewordene Gesellschaft nicht ebenfalls
     die unerträglichen Anmaßungen des Papsttums teilte, das Zeitliche zu beherrschen.
    |61| Andererseits aber hing eine große Zahl Franzosen den Jesuiten leidenschaftlich an, diese aus guten, jene aus üblen und manche
     aus beiderlei Gründen. Wer die protestantische Ketzerei haßte und die Hugenotten in Frankreich und Europa mit Feuer und Schwert
     ausgerottet sehen wollte, bewunderte sie, weil sie überall glühend für die Gegenreformation eintraten. Wer bei ihnen studiert
     hatte, wollte ihnen auch seine Kinder anvertrauen und pries ihre erzieherischen Fähigkeiten himmelhoch. Große Herren und hohe
     Damen – beispielsweise auch meine liebe Patin, die Herzogin von Guise – waren auf ihre Milde im Beichtstuhl erpicht. Die hochgeborenen
     Seelen waren über ihr Jenseits ganz beruhigt, wenn ihre schlimmsten Sünden – Ehebruch, Unzucht, außereheliche Ausschweifung
     – zu fleischlichen Schwächen verringert wurden, über die man angesichts soviel höherer Interessen augenzwinkernd hinwegsehen
     konnte. Großmächtige Herren wie der Herzog von Épernon, die unter Heinrich III. noch die Annäherung an die Hugenotten unterstützt
     hatten, waren nach seinem Tod völlig umgeschwenkt, weil sie die tödliche Feindschaft der Jesuiten fürchteten. Épernon schützte
     sich seitdem durch musterhaften Gehorsam unter dem Schirm ihrer Allmacht.
    Schließlich gab es noch jene, und das waren nicht wenige an diesem elften Februar 1618, die sich nicht für, nicht gegen die
     Jesuiten erklären wollten, und obwohl es doch um etwas so Geringfügiges ging wie die Eröffnung einer ihrer Schulen in Paris,
     entschuldigten sie sich bei Seiner Majestät, nicht am Kronrat teilnehmen zu können. Es sprang einem beim Betreten des Bücherkabinetts
     ins Auge: Ein Großteil der Räte hielt sich an diesem Tag fern.
    Die Affäre wurde zügig behandelt. Der Siegelbewahrer, Monsieur du Vair, stellte den Fall ausgewogen mit allem
pro et contra
dar, schloß jedoch mit der eindeutigen Meinung, daß eine Schule, an der Jean Châtel unter den berüchtigten Lehrern studiert
     hatte, nicht wieder eröffnet werden sollte. Monsieur de Puisieux gab zu bedenken, daß seit dem Attentat Jean Châtels vierundzwanzig
     Jahre verstrichen, die Umstände andere geworden, die Lehrer nicht mehr dieselben seien und daß man ihnen nicht Unrecht tun
     dürfe mit der Annahme, sie könnten denselben Verirrungen anheimfallen. Im gleichen Sinn äußerte sich Monsieur de Sillery.
     Präsident Jeannin sprach sich nicht |62| völlig dagegen aus, wollte das Collège jedoch lieber einem religiösen Orden anvertraut sehen, der kraft seiner Regeln den
     französischen Bischöfen unterstellt war.
    Ludwig, den Hut in die Stirn gedrückt und die Arme gekreuzt, verfolgte aufmerksam das Für und Wider, aber nachdem die vier
     Minister sich geäußert hatten und er den stehenden Mitgliedern des Rates das Wort erteilte, mochte es keiner ergreifen, außer
     dem Herzog von Épernon, der mit fester Stimme Position für die Gesellschaft Jesu bezog, der er, wie gemurmelt wurde, in laizistischer
     Stellung selbst angehörte.
    Ludwig ließ also abstimmen, nicht mit erhobenen Händen, sondern schriftlich, und die sogleich vorgenommene Auswertung der
     Bulletins ergab eine überwiegende Mehrheit zugunsten der Jesuiten. Ludwig wollte das Abstimmungsergebnis

Weitere Kostenlose Bücher