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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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verkünden, als Präsident
     du Vair um das Wort bat und darauf hinwies, daß das
quorum
nicht erreicht sei, weil ein Drittel der Ratsmitglieder nicht zugegen wäre, und daß die Entscheidung infolgedessen auf eine
     weitere Sitzung verschoben werden sollte.
    Großes Schweigen trat ein, aller Augen waren auf Ludwig gerichtet in Erwartung seines Wortes, einige fürchtend, andere hoffend,
     er werde seinem Minister recht geben, wie er es bisher stets getan hatte.
    Aber Ludwig schwieg, die Augen gesenkt, das Antlitz undurchdringlich, und ich konnte mir wirklich nicht klarwerden, wie er
     entscheiden würde. So oft hatte er seinen erfahrenen Ministern vertraut, auch hegte er so großen Respekt vor dem Prozedere,
     daß man erwarten durfte, er werde der Bemerkung von Präsident du Vair beistimmen. Andererseits erlaubte die gleichermaßen
     aufmerksame und höfliche Weise, mit der er den einen wie den anderen gelauscht hatte, keinerlei Rückschlüsse auf seine persönliche
     Position. Ein Grund, weshalb das, was er sagen würde, für den Rat so große Bedeutung annahm, war, daß man aus seiner Entscheidung
     für oder gegen das Prozedere (und die Entscheidung dagegen wäre zweifellos eine Kühnheit) erkennen konnte, wie er über das
     gesamte Problem dachte.
    »Meine Herren Räte«, sagte er, »der Rat hat abgestimmt. Diese Abstimmung muß nicht wiederholt werden. Die Gesellschaft Jesu
     ist berechtigt, ihre Schule in Paris wieder zu eröffnen.«
    ***
    |63| Am Nachmittag desselben Tages besuchte ich Frau von Lichtenberg in ihrem Hôtel, Rue des Bourbons. Ich wurde mit düsteren Blicken
     und bitteren Worten empfangen. Sie sähe mich gar nicht mehr! Immer sei ich nur unterwegs mit dem König oder der Gefangene
     seines stundenlangen Kronrats! Liebte ich sie überhaupt noch? Und wenn nicht, wäre es ein Wunder? So zurückgezogen, wie sie
     lebe, beinahe klösterlich, während ich am Hof mit einem Schwarm von Jungfern tändelte, die doch nur an ihren Unterleib dächten!
    »An ihren Unterleib denken! Madame, redet man so roh in Ihrer Pfalz? Madame de Rambouillet würde Schreckensschreie ausstoßen.«
    »Ach, bitte! Kommen Sie mir nicht mit dieser schrecklichen Betschwester! Ich rede deutsch, klar und unverblümt! Und was besagte
     Jungfern angeht, leiht ihnen die Jugend mangels dauerhafter Reize ja wohl eine Anziehung, der ein Mann Ihres Naturells leicht
     erliegen kann.«
    »Ein Mann meines Naturells! Madame, ich liebe Sie!«
    »Wer’s glaubt, wird selig! Wie ich hörte, hat Madame de Luynes an ihrem Hochzeitstag Ihnen auf das schamloseste schöne Augen
     gemacht! Sie haben es mir verschwiegen. Und als ob das alles nicht schon reichte, hat der König Sie auch noch zu einem bedeutenden
     Herrn ernannt. Graf sind Sie geworden, Herr eines großen Besitzes, der Ihnen den letzten Rest Zeit rauben wird, den Ihnen
     der Dienst beim König übrigläßt. Das heißt, daß ich Sie gar nicht mehr sehen werde! Ach, wohin ist der kleine Chevalier de
     Siorac entschwunden, der so emsig seine Deutschstunden bei mir nahm und mir mit schüchterner Miene ewige Liebe schwor?«
    Der Gedanke an die Vergangenheit bewegte sie, Tränen stiegen in ihre schönen Augen und rollten langsam über ihre Wangen, von
     denen ich sie mit meinen Lippen trinken wollte. Aber sie stieß mich zurück, und ich sah, daß ich mich wohl oder übel verteidigen
     mußte. Also antwortete ich auf jeden Punkt, den sie aufgeworfen hatte, und nahm mir für mein Plädoyer soviel Zeit wie ich
     konnte, denn ich habe so manches Mal festgestellt, daß eine lange Erklärung, mag sie sich auch wiederholen, einfach kraft
     ihrer Länge überzeugt.
    Als ich sah, daß sie endlich weich wurde, beklagte ich mich über die Eiseskälte in ihrem kleinen Salon und schlug vor, |64| unser Beisammensein in ihrem Schlafzimmer fortzusetzen. Sie willigte ein, aber mit einer Miene, wie um mir jeden Hintergedanken
     auszutreiben. Nachdem ich die Schlafzimmertür verriegelt hatte, warf ich ein Bündel Späne ins Feuer und legte Scheite nach.
     Und vor diesem Höllenfeuer, das wenigstens in mir sträfliche Gedanken hätte erwecken können, ließ ich mich in gehörigem Abstand
     von ihr in einem Lehnstuhl nieder und setzte meine Verteidigung fort. Ich versicherte ihr, daß die einzigen Jungfern, die
     es am Hof gab, die Ehrenjungfern der Königin waren, Spanierinnen wie ihre Herrin, eine Nation, die ich nicht ausstehen konnte.
     Außerdem steckten sie zumeist in schwarzen Trauerkleidern wie die

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