Rosen des Lebens
Antwort geben könnt als Erster Kammerherr, da Ihr tagtäglich um den König seid, was mir ja
trotz meines Ranges verwehrt ist, weil Ludwig Frauen haßt.«
»Nicht alle, Madame.«
»Ja, ich weiß, er soll sich in Madame de Luynes vergafft haben. Aber nur platonisch! Was kann man auch anderes erwarten von
einem Mann, der seit vier Jahren verheiratet ist und es noch nicht fertiggebracht hat, seine eigene Gemahlin zu besteigen.«
»Madame, Ihr drückt Euch ärgerlich aus.«
»Ich rede, wie ich will!« sagte Madame de Guise. »In meinem Haus bin ich die Königin!«
»Madame«, sagte ich mit einer kleinen Verneigung, »das bestreite ich nicht.«
»Anstatt an mir herumzukritteln, antwortet lieber auf meine Fragen, Unverschämter! Wenn Monsieur de Luynes erfährt, daß er
von seiner Frau verziert worden ist, bestellt er Claude dann nicht auf die Wiese?«
»Madame, Ihr wißt so gut wie ich, daß Luynes sich nicht schlägt. Wenn er eine Affäre am Hals hat, läßt er sich von einem seiner
Brüder vertreten.«
»Der Fall liegt aber anders. Die Sache betrifft ihn ganz persönlich. Es geht um seine Ehre.«
»Luynes hat keine so kitzlige Ehre.«
»Seid Ihr sicher?«
»Völlig.«
|100| »Gott sei Dank!« sagte sie, »dann muß Claude ihn nicht umbringen.«
Dies sagte sie, als verstehe es sich von selbst, und damit hatte sie nicht unrecht, Claude war ein gefürchteter Haudegen.
»Es reicht ja auch schon«, fuhr sie fort, »den König herauszufordern, indem er seinen Favoriten hörnt. Ach, ich gestehe, ich
zittere davor, daß Seine Majestät Luynes’ Mißgeschick erfährt.«
»Er weiß es schon.«
»Wie?« fragte sie mit bebender Stimme. »Ist das wahr? Seid Ihr sicher? Was gibt Euch Grund, das zu bejahen?«
»Ich habe mit diesen meinen Augen gesehen, wie Ludwig Madame de Luynes eine äußerst demütigende Tronçonnade erteilte.«
»Um Himmels willen! Wenn er sie schon so behandelt, was blüht dann wohl Claude?«
»Nichts, Madame.«
»Nichts?«
»Das behaupte ich. Der König wird gegen den Herzog von Chevreuse nichts unternehmen, aus dem einfachen Grund, weil er einer
der mächtigsten Familien des Reiches angehört: Der Euren, Madame. Der König ist zu weise, um eine Privatsache zur Staatsaffäre
zu machen.«
»Aber, wird er meinem Sohn nicht furchtbar grollen?«
»Lange nicht so wie von nun an Madame de Luynes.«
»Warum ihr mehr als ihm?«
»Weil er in sie verliebt war. Auf seine Art.«
»Aha!« sagte Madame de Guise mit einem amüsierten Glitzern in den Augen, »Madame de Luynes hat ihn verraten.«
»Und er ist entsetzt über ihren Verrat. In seinen Augen ist sie eine Dalila. Vergeßt nicht, daß er sehr fromm ist und vielleicht
der einzige am Hof, der die zehn Gebote hält, das zehnte im besonderen.«
Aber die himmelblauen Augen meiner lieben Patin blickten über mich hinweg. Sie hörte nicht mehr zu. Seit ich ihr versichert
hatte, daß der königliche Zorn nicht auf Claudes Haupt fallen werde, belasteten die Sünden ihres Sohnes wie auch die von Louise-Marguerite
ihr Gewissen nicht mehr. Sie verzieh ihnen, wie sie den Ihren ihr Leben lang verziehen hatte.
Mir hingegen machte es sehr zu schaffen, welche enttäuschende |101| Rolle die Prinzessin Conti bei Luynes’ Mißgeschick gespielt hatte. Bis dahin hatte ich Louise-Marguerite für sehr kokett,
aber nie für ausschweifend gehalten. Wenn es mich auch bereits ziemlich überrascht hatte zu erfahren, daß ihr bewegtes Leben
nicht nur mit ihrer großen Liebe zu Bassompierre beschäftigt war. Aber, verflucht noch mal, die Kupplerin zu spielen! Ihr
eigenes Bett im Louvre dem Bruder zu überlassen, damit er mit einer hohen Dame schlafen konnte, und einer, die dem König so
nahestand! Das hatte denn doch etwas, was nicht nur gelinde nach Schwefel roch.
Gewiß weiß ich, daß Louise-Maguerite derzeit dreißig Jahre alt war, ein Alter, in dem die Damen dieses Landes glauben, sie
stünden kurz vor der Vergreisung, ein Gedanke, der sie anstachelt, ihre fliehende Zeit noch aufs beste (und manchmal aufs
schlechteste) zu nutzen. Dieses Alter sollte allen Ehemännern große Angst machen, denn wenn ihre Gemahlinnen zur Liebe geneigt
sind, ist ihrer Unersättlichkeit kaum abzuhelfen.
Ludwig wußte genau, wie es mit der Prinzessin Conti und Madame de Luynes stand, und obwohl er darüber keine Silbe verlor,
gab er ihnen nun Spitznamen. Die erste nannte er die ›Sünde‹, die andere den ›Satan‹. Demnach konnte man sicher
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