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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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als ob ich Eure Gräfin wäre, Herr Graf«,
     sagte sie errötend. Sie legte ihre schönsten Kleider an und genehmigte sich zum erstenmal einen Reifrock statt des Kotillons,
     der ihrem Stand geziemte. Was bei unserer Abfahrt von unserem Majordomus Franz mit Stirnrunzeln, von unseren anderen Kammerzofen
     mit Gekicher und von meinem Vater mit Duldsamkeit bemerkt wurde.
    Als sie neben mir Platz nahm, sah ich, daß in einer Schlaufe ihres Schnürmieders, sicherlich zur Verteidigung ihrer Tugend
     gegen die Räuber, ein zierlicher Dolch stak, den ich ihr, mehr zur Schau allerdings als zum Gebrauch, geschenkt hatte. Lachend
     sagte ich, für gewöhnlich mache sich das
gentil sesso
nicht mit solchen Waffen über unsere schwachen Herzen her. Als die Reise sich aber sehr in die Länge zog, weil Wind und Regen
     unser Fortkommen behinderten, zeigte sie mir, daß sie auch weiblicher Waffen mächtig war und mich mit allen Zärtlichkeiten
     zu beglücken wußte, die ihr Temperament, ihre Lust, mir zu gefallen, und die neue Örtlichkeit ihr eingaben.
    Als nettes Mädchen, das sie war (außer gegen andere Mädchen), schwatzhaft und munter, doch nicht ohne Feingefühl, wußte sie,
     daß sie besser den Schnabel hielt, wenn sie mich in Gedanken sah. Und auf dieser Reise dachte ich viel.
    Das Fortgehen meiner Gräfin betrübte mich nicht so sehr, wie ich zuerst glaubte. Unser Altersunterschied, unsere verschiedenen
     Nationalitäten, ihre hugenottische Ernsthaftigkeit, ihre seltsame Überzeugtheit, daß sie die Wahrheit sage, sowie sie den
     Mund auftat, ihre manchmal sehr anstrengende Art, ihre Ansprüche, ihr Hochmut, vor allem aber ihre kleinlichen Vorwürfe, all
     das hatte mir oft die Laune verdorben und mehr |138| meine Geduld als meine Zuneigung geprüft. Auch endete nun mein schon erwähntes Ungemach, die eine mit der anderen zu betrügen.
    Unsere Reise ging ohne Ärgernis vonstatten. Übrigens war ich mir schon vorher ziemlich gewiß, daß wir bei soviel Sicherheitsmaßregeln
     unterwegs keinen Angriff der Räuber gewärtigen müßten. Wer Stärke zeigt, enthebt sich ihres Gebrauchs. Diese Wegelagerer gehen
     auf Raub und Mord aus, aber sie fliehen den Kampf und machen sich nur an schwache Beute. Und so, mit Louison an meiner Seite,
     die so gut zu leiden war, verspürte ich ein großes Glück, je näher wir Orbieu kamen. Ich sollte meinen ersten irdischen Besitz
     wiedersehen, mein geliebtes Schloß, meine dunklen Wälder, meine saftigen Wiesen, mit einem Wort, das kleine Reich, wo ich
     Prinz war. Und trotz des Herbstes draußen hätte ich sagen können wie der Dichter, »zu den Freuden meiner Seele regnete es
     einen Lenz von Blüten«.
    Noch immer erstaunte es mich, wenn ich darüber nachsann, wieviel Macht ich in Orbieu hatte. Sie war so mannigfach und so groß,
     daß ich es kaum fassen konnte und daß ich mir fest vornahm, sie niemals auszunutzen. Keiner auf meinem Gut, auch wenn er Eigentümer
     war, durfte sein Heu mähen, sein Korn ernten oder seinen Wein lesen, ohne daß ich das Zeichen dazu gab. Keiner konnte sein
     Getreide mahlen, sein Brot backen oder seine Trauben pressen, ohne sich meiner Mühle, meines Ofens, meiner Presse zu bedienen
     – zu meinem großen Gewinn. Keiner durfte seinen Weizen, seinen Wein, sein Obst oder sein Jungvieh vor mir verkaufen. Bis auf
     den Pfarrer und den Vikar durfte ich als einziger die Kirche durch die Sakristeitür betreten und durfte auf dem Bischofsstuhl
     im Chor sitzen, unter dem ich dereinst bestattet werden würde. Und hatte der Meßdiener dem Herrgott Dank gespendet, mußte
     er gleich darauf mich beweihräuchern, wie man sah. Jeder, der auf meinem Land ein Haus und ein paar Ar besaß, schuldete mir
     eine jährliche Abgabe, und wenn er sie verkaufen wollte, eine Gebühr. Ich hatte das jedem anderen verbotene Recht, ein Taubenhaus
     zu besitzen und Hunderte Tauben zu züchten, die sich in aller Muße an den Saaten meiner Untertanen gütlich tun durften, bevor
     sie auf meine Tafel kamen. Der Himmel über meinem Gut, das Wasser, das in meinen Feldern und Wiesen |139| floß oder stand – Bäche, Flüsse, Sümpfe, Teiche – alles war mein. Und alles, was in der Luft flog, auf der Erde lief oder
     im Wasser schwamm, war ebenfalls mein. Und wer immer zu seinem Eigennutz – Verkauf oder Kochtopf –, eines dieser Gottesgeschöpfe
     fing, verfiel einem Bußgeld, einer Auspeitschung oder sogar dem Strick, der höchsten Strafe, die ich als oberster Gerichtsherr
     selbst

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