Rosen des Lebens
Gott, daß es nicht zu früh kommt, damit ich hübsch und munter bleibe und Euch gefalle,
sonst lacht Ihr Euch noch eine an vom platten Land!«
»Nur das nicht! Die starren doch alle vor Schmutz, die Ärmsten.«
»Nicht für den, der Augen hat, Herr Graf. Monsieur de Saint-Clair hat durch den Schmutz durchgesehen. Der hat sich ein Fischchen
aus dem Modder gezogen, was, erst mal mit klarem Wasser gewaschen, sich ganz schmuck macht auf seinem Teller.«
»Das wußte ich nicht! Woher hast du das denn?«
»Von unserem letzten Mal in Orbieu.«
»Dir entgeht aber auch nichts! Vor allem, wenn in deiner Nähe ein anderes hübsches Ding auftaucht. Wie heißt die Kleine?«
»Jeannette. Aber das ist eine ganz Gewiefte! Wenn ich die machen laß, tanzt am Ende die ganze Dienerschaft im Schloß nach
ihrer Pfeife, Männer wie Weiber. Na, da schaff ich aber Ordnung.«
Das versprach für unsere Tage in Orbieu einen schönen Hickhack, bis aufs Blut und mit fliegenden Federn! Nun verstand ich
auch, welchen Zweck dieser neue Reifrock hatte, er war nicht etwa pure Eitelkeit, er war das einschüchternde Gefieder, bevor
es mit Schnabel und Krallen zur Sache ging.
»Meine Liebe«, sagte ich ernst, »es gibt keinen Grund, diese |142| Jeannette anzugreifen. Monsieur de Saint-Clair könnte sich verletzt fühlen. Und wie willst du über Wäsche, Silber, Vorratskammern
und über die ganze Dienerschaft gebieten, wenn Monsieur de Saint-Clair als der Verwalter des Gutes dich als Haushofmeisterin
mit ungutem Auge sieht?«
»Herr Graf«, sagte Louison, »Monsieur de Saint-Clair steht in Eurem Dienst. Es liegt in Eurer Hand, mich bei ihm durchzusetzen.«
»Wenn es nötig würde, gut. Aber fürs erste zöge ich mir eine gemischte Lösung vor. Du könntest die Haushofmeisterin auf Schloß
Orbieu sein, wenn du mit mir dort bist, und Jeannette könnte dich vertreten, wenn wir in Paris sind.«
»Abgemacht, Herr Graf! Sagt Ihr es Monsieur de Saint-Clair, damit das reibungslos abgeht zwischen seiner Kleinen und mir?«
»Versprochen. Aber nun enträtsele mir, meine Liebe, warum es dir so wichtig ist, Haushofmeisterin in Orbieu zu sein.«
Hierauf wurde sie ein wenig rot, und es dauerte ein Weilchen, bis sie antwortete.
»Naja«, sagte sie schließlich, »es wird ja nicht ausbleiben, Herr Graf, daß Ihr Euch eines Tages – und wäre es nur wegen Eurer
Nachfolge – mit einer hohen Dame verheiratet. Und weil diese hohe Dame dann ein Haus in der Stadt wird führen wollen, würd
ich mich gern um Euer Haus auf dem Land kümmern, und vielleicht auch für Eure Kinder sorgen, wenn Ihr wolltet, daß sie nicht
in Paris aufwachsen, sondern in der guten Landluft.«
Sieh einer diese Schlaubergerin an, dachte ich, anstatt andere über ihr Los entscheiden zu lassen, versucht sie die Dinge
von vornherein beim Schopf zu packen und in die Bahnen zu lenken, die ihr am meisten zusagen, ihrem Interesse, aber auch ihren
Neigungen.
»Louison«, sagte ich, »ich wäre froh, wenn es so würde. Du wirst deine Sache gut machen und hast mein volles Vertrauen.«
Hierauf ergriff sie meine Hand im Fluge und küßte sie mehrmals, aber ohne einen Ton zu sagen. Dann lehnte sie ihren Kopf an
meine Schulter und blieb lange in Gedanken.
»Herr Graf«, sagte sie schließlich, »wollt Ihr mir eine Gnade gewähren? Wenn Ihr eines Tages Eure Wahl für eine Gemahlin getroffen
habt, würde ich es gern erfahren, natürlich nicht vor, |143| aber gleich nach dem Herrn Marquis und dem Herrn Chevalier.«
»Und warum?« fragte ich neugierig.
»Bin ich Euch nach ihnen nicht die Nächste?«
Ich versprach ihr, was sie eine Gnade nannte, doch erst Jahre später begriff ich, aus welchem Grund sie mich darum gebeten
hatte. Es waren noch keine zwei Monate vergangen, nachdem ich ihr meine Verlobung mitgeteilt hatte, als sie mir sagte, sie
sei schwanger. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Bevor meine Hochzeit unser beider Schlaf trennte, wollte sie die
Mutter meines ersten Kindes sein.
***
Uns blieb noch eine Sonnenstunde, als wir in Orbieu anlangten, und der Leser mag sich denken, wie ich sie nutzte. Zu Anfang
meines Besitztums verließ ich die Karosse, hieß La Barge absteigen und schwang mich in den noch warmen Sattel meiner Fuchsstute,
mein Reitknecht wechselte auf den Kutschbock neben Lachaise, der mit Louison geradewegs zum Schloß fahren sollte.
Da steckte meine Soubrette den Kopf zum Schlag heraus und fragte, was ich vorhätte. »Mein
Weitere Kostenlose Bücher