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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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der Hoffnung, die beiden Gatten einander näherzubringen.
     Trotzdem, als Anna von Österreich der Karosse entstieg, empfing Ludwig sie zwar mit größter Höflichkeit, aber ohne daß sein
     Gesicht die mindesten Gefühle zeigte.
    Luynes fiel noch mehr ein. Schloß Lesigny hatte keine Kapelle, deshalb ließ er in den Gemächern der Königin einen Altar errichten,
     so daß Ludwig die Messe, die er an keinem Tag versäumte, den Gott werden ließ, an der Seite der Königin hören mußte, in zwei
     gleich geschmückten Armstühlen. Ich konnte das königliche Paar nicht sehen, solange es saß, aber sowie es sich erhob, hatte
     ich nicht Augen genug, es zu beobachten. Sie waren beide sehr jung und sehr schön, nur daß sie mehr nebeneinander standen
     als wirklich beisammen. Gewiß warf Anna dann und wann ein raschen kleinen Blick nach ihrem Mann, doch blieb dieser Magnet
     wirkungslos an jenem Span, Ludwig wandte den Kopf nicht einmal nach ihr. So erregten sie vor dem kleinen Hof von Lesigny eher
     Mitleid als Spott, der jungfräuliche König und die königliche Jungfrau, die Mann und Frau nur vor der Kirche waren. Doch immerhin
     hörten sie Seite an Seite die Messe, ganz im Sinne Luynes’, dem zu Gefallen sich Ludwig entsann, daß er vor dem Allmächtigen
     geschworen hatte, sein Weib zu ehren und zu lieben.
    Dennoch war alles vergeblich, auch die gemeinsame tägliche Messe änderte es nicht. Kaum hatte der Kaplan das
ite, missa est
gesprochen, nahm Ludwig von seiner Gemahlin Urlaub und fuhr oder ritt davon, entweder um die Umgebung zu besichtigen oder
     aber zur Jagd.
    |131| Weil die Brie eine Landschaft ist, wo es, wie gesagt, an Sümpfen und Flüssen nicht mangelt, hetzte Ludwig diesmal nicht den
     Hirsch, sondern fuhr zu Wasser und schoß mit der Arkebuse auf Wasserhühner, die vor seinem Kahn aufflogen. Weil er diese Jagd
     seiner wenig würdig fand, erlegte er manchmal vom festen Land kleinere Vögel mit einer Armbrust, die nicht mit Pfeilen, sondern
     mit kleinen runden Kieseln schoß. Ich erinnere mich, wie ich über seine Geschicklichkeit als Kind gestaunt hatte, als er von
     seinem Bett aus nicht mehr als einen Kiesel brauchte, um genau nur den Docht seiner Kerze zu treffen und die Flamme zu löschen.
     Nun aber sah ich mit einem traurigen Gefühl die kleinen Vögel von den Zweigen fallen. Hätte man ihn, dachte ich, in seiner
     Kindheit doch besser gelehrt oder ihm erlaubt, mit Leib und Seele das
gentil sesso
zu lieben, anstatt ihn für diese kleinen Massaker abzurichten, indem man ihn glauben machte, dadurch werde er ein Mann.
    Wie immer beim Jagen schonte sich der König nicht, legte Meilen zu Fuß zurück, ohne auf Müdigkeit, Hunger und Wetter zu achten.
     Wie oft sah ich ihn in Lesigny bei einfallender Nacht heimkehren, erschöpft, pudelnaß, und dann wollte er sich nicht einmal
     trocknen lassen. Geriet er aber bei Tage an ein gastliches, gut bestelltes Haus, stürzte er sich aufs Essen wie ein Raubvogel.
     Ich sah, wie er bei solcher Gelegenheit nacheinander zehn Täubchen verschlang und nichts übrigließ wie die blanken Knochen.
     Am Abend, mit schwerem Magen, fastete er dann. Natürlich ließ ihn die Natur für seine gargantischen Mähler bisweilen hart
     bezahlen. Eines Abends, als er vorm Feuer saß, zitterte er plötzlich vor Kälte, und am nächsten Tag wurde er bei der Messe
     auf einmal bleich und sank fast in Ohnmacht. Man führte ihn in seine Gemächer, und Doktor Héroard erbot ihm das Mittel, das
     in seinen Augen alle Übel heilte: ein Klistier.
    »Oh, wenn es darum geht!« sagte Ludwig, »an einem Durchfall fehlt es nicht. Ich halte ihn nur zurück, damit Ihr mir nicht
     verbietet, auf die Jagd zu gehen.«
    »Ach, Sire!« sagte Héroard, »beliebe es Euch, ich bitte, Euch nicht länger zurückzuhalten.«
    Und auf sein Zeichen brachten die Diener den Stuhl herbei, den man nach Madame de Rambouillets schamhaften Vorhaltungen nicht
     mehr Kackstuhl nannte, und der König
deposuit
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onus ventris
1 , wie die Zartbesaiteten sagen. Hierauf war er wie aufgelebt. Und höchst vergnügt nun, begab er sich auf die Jagd, in deren Verlauf er, das wette ich, sich den gleichen Exzessen
     ergab wie am Tag vorher.
    Was mich bei diesem Zwischenfall verwunderte, war die Gewissenhaftigkeit, mit der Ludwig sich Héroards Vorschriften unterwarf:
     er kam gar nicht auf die Idee, daß er sein Verbot, zur Jagd zu gehen, hätte übertreten können. Gegen Ende seines Lebens, als
     er schon sehr krank war,

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