Rosen des Lebens
Liebes«, sagte ich, »was könnte
ich anderes vorhaben, als gleich jetzt meine Wege, alle meine neugepflasterten Wege zu bewundern. Bitte, melde Monsieur de
Saint-Clair, daß ich um sieben Uhr zum Souper im Schloß bin.« Ich setzte mich in Trab, ritt, um nicht den Staub meiner Karosse
zu schlucken, voraus und nahm mit meinem Gefolge den erstbesten Weg zur Linken.
Und alle ritt ich sie entlang, einen nach dem anderen, begeistert von der Pflasterung, die unter Saint-Clairs Anleitung mit
großer Mühe und Arbeit von meinen Leuten gemacht und gut gemacht worden war und die mich ein tüchtiges Stück Geld gekostet
hatte. Aber ich weinte meinen Talern nicht nach, im Gegenteil. Das Herz schlug mir vor Freude, daß mein Land geheilt war von
seinen Schlammlöchern und Wasserlachen und nun so bequeme und stattliche Wege hatte, die ihm zur Ehre gereichten wie auch
mir.
Als meine Dörfler den Hufschlag der vielen Pferde auf dem nun befestigten Grunde hörten, traten sie ängstlich in ihre |144| Türen, doch dann erkannten sie mich und zogen ihre Mützen. Da hielt ich inne und erwiderte ihren Gruß, indem ich meinen Hut
zog und einem jeden auf Platt einige Worte sagte, denn ich hatte ihre Mundart fast täglich nach dem Wörterbuch von Figulus
geübt, seit ich das letztemal in Orbieu gewesen war. Nicht daß ich behaupten wollte, daß ich den Akzent schon ganz traf, aber
sie sahen aus, als verstünden sie, wenn ich ihnen sagte, sofern das Wetter gut bliebe, würde ich am übernächsten Tag mit meiner
Weinlese beginnen, so daß sie sich dann auch an ihre Weinstöcke machen könnten, wenn sie welche hätten.
Monsieur de Saint-Clair erwartete mich mit der ganzen Dienerschaft auf der Freitreppe des Schlosses und kam mir entgegen,
sowie er mich von meiner Allegra absitzen sah. Da ging ich auf ihn zu und umarmte ihn freundschaftlich vor allen, um ihm meine
Zufriedenheit über die gute Arbeit zu bezeigen, die er beim Wegebau geleistet hatte. Sein junges Gesicht errötete freudig,
und er erwiderte meine Umarmung. Dann hakte ich ihn unter, eilte schwungvoll mit ihm über die Schwelle und zog ihn mit zu
dem kleinen Raum, wo für gewöhnlich der Tisch gedeckt war. Gott sei Dank, war er es auch diesmal, denn ich hatte einen Wolfshunger
und freute mich, ihn sogleich zu stillen.
Ich hatte es Monsieur de Saint-Clair überlassen, die Bediensteten für Orbieu auszuwählen, und bezweifelte nicht, daß er eine
glückliche Hand gehabt hatte. Sein Koch konnte es wenn auch nicht mit dem Caboche meines Vaters aufnehmen, so doch immerhin
mit meinem Robin. Und was die nette Kleine anging, die bei Tisch bediente, so hätte ich, auch wenn Saint-Clair nicht zu ihr
gesagt hätte: »Jeannette, fülle doch das Glas des Herrn Grafen«, allein bei ihrem Anblick erraten, daß sie diejenige war,
deren wirklicher oder vermuteter Ehrgeiz meiner Louison Verdacht und Verstimmung einflößte.
Jeannette mochte siebzehn oder achtzehn sein, nicht mehr, rabenschwarzes Haar, die Haut sonnengebräunt, die Gestalt eher mager,
dafür aber blitzende schwarze Augen, sprechend, lebhaft und flink wie bei einem Eichhörnchen, dazu eine angenehme Behendigkeit.
Was ihr an Rundungen fehlte, konnte durch Behagen und Überfluß ihres neuen Lebens ja noch erblühen.
Ich wartete, bis sie hinaus war, dann fragte ich Saint-Clair |145| mit Unschuldsmiene: »Seid Ihr mit Jeannettes Diensten zufrieden?«
»Oh, sehr«, sagte er errötend, nachdem er seinen Speichel verschluckt hatte. »Jeannette ist sehr gut: reinlich, lenksam und
sehr fleißig. Und auch wenn ich ihr keine Arbeit gebe – sie findet immer welche, sie kann die Hände nicht in den Schoß legen.
Außerdem fehlt es ihr nicht an Verstand, sie lernt bewundernswert schnell Französisch. Sie lernt es sogar schneller als ich
das hiesige Platt. Auch darin ist sie mir sehr nützlich.«
Dieses »auch darin« war lustig, und wieder wurde er rot, was ich nicht zu bemerken vorgab, indem ich auf meinen Teller blickte,
als wollte ich jeden Bissen auskosten, den ich verzehrte.
»Was ist ihr Vater?« fragte ich nach einer Weile. »Ein reicher Bauer oder einer mit kleiner Hofstelle?«
»Weder das eine noch das andere. Der Vater ist nicht reich, aber die Hofstelle ist auch nicht klein.«
»Steht er bei uns in Schulden?«
»Ein wenig, wenn man Rapinauds Büchern glauben darf.«
»Wieviel?«
»Fünfzig Livres.«
»Habt Ihr ihm die Schuld erlassen?«
»Herr Graf«, sagte Saint-Clair
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