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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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verhängen konnte.
    Jedoch war dieses Privileg wenn auch nicht nach dem Recht, so doch in der Tat außer Gebrauch gekommen, und nur der Tradition
     halber behielt Orbieu das Gerüst bei, das sich auf einem Hügel erhob. Einst war es dort errichtet worden, damit es vom Dorf
     aus gut zu sehen war, mit dem Strick in der Mitte des Querbalkens, an dem die Gehenkten früherer Herren unerbittlich geschaukelt
     hatten. Nicht vergessen war im Dorf, daß der Verwalter Rapinaud sich dieses Recht über Leben und Tod schändlich angemaßt hatte,
     als er von einem Fenster des Schlosses einen Wilderer erschoß, der in der Morgenfrühe einen Karpfen aus dem Teich des seligen
     Grafen fischte. Dieser Mord hatte ihn bei allen in Verruf gebracht, und hätte man die Leiche des Opfers gefunden, es wäre
     ihm übel bekommen.
    Doch Louison schmiegte sich immer enger an mich im behaglichen Kutschengehäuse, bis ich schließlich verstand, daß ihre Zunge
     sie juckte und daß ungesagte Worte ihre rosigen Wangen schwellten. Denn rosig waren sie, im Kontrast zu ihren schwarzen Haaren,
     die wiederum das Blau ihrer zärtlichen Augen höhten. Nach den Blicken, mit denen sie dann und wann ihren Reifrock bedachte,
     schien sie mir furchtbar stolz darauf. Trotzdem nahm ich mir vor, ihr zu sagen, sie möge ihn in Orbieu ruhig tragen, aber
     nicht in Paris, um die Kotillons der anderen Bedienten nicht herabzusetzen.
    Der
pundonor
, wie die Spanier sagen, war der schwache, oder wenn man so will, der starke Punkt meiner Louison. Wie sehr hatte sie Margot
     beneidet, daß sie die Liebste eines Marquis geworden war, als sie selbst die Liebste nur eines Chevaliers war. Und heute,
     da sie das Gefühl genoß, mit mir im Leben vorangekommen zu sein, spielte sie sich vor Margot auf als die Liebste eines Grafen.
     Jedenfalls mußte ich mich entschließen, ihr behutsam die Federn zu stutzen, damit kein Zank ausbrach.
    »Herr Graf«, sagte sie endlich mit leiser Stimme, »seid Ihr fertig mit Eurer Grübelei, oder soll ich noch weiter still sein?«
    |140| »Rede, Liebchen, rede! Ich will nicht, daß du an deinen Worten erstickst.«
    »Aber zuerst, Herr Graf, beliebt einen Blick auf mich zu werfen.«
    Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter, also faßte ich ihr Kinn und hob es empor, während ich sie, gerührt von ihrer Süße, anschaute,
     worauf sie es abgesehen hatte.
    »Und warum«, sagte ich, »soll ich Dich anschauen?«
    »Darum, Herr Graf, weil ich Euch was fragen möchte.«
    »Frage!«
    »Herr Graf, respektiert Ihr Euer Blut?«
    »Was soll das?« fragte ich, höchlich erstaunt.
    »Das sind die eigenen Worte vom Herrn Marquis, Eurem Vater, zu Margot. Und diese Tugend, sagte er, verdanke er dem Beispiel
     seines Vaters, des Barons von Mespech im Périgord, der in seinem Schloß den Bastard aufzog, den er von einer einfachen Hirtin
     hatte und dem er seinen Namen gab.« 1
    »Und warum versicherte mein Vater Margot, daß er sein Blut respektiere?«
    »Na, weil sie von ihm schwanger ist.«
    »Heiliger Antonius! Was sagst du da?«
    »Und weil auf diese Nachricht hin der Herr Marquis ihr gesagt hat, daß er den Respekt hätte, wie ich sage, und daß er sein
     Kind anerkennen und in seinem Pariser Haus aufziehen würde.«
    »Nun, das freut mich für Margot und ihre Frucht.«
    »Ihr meint also, Herr Graf, Euer Vater hat recht daran getan?«
    »Sicher.«
    »Und Ihr, Herr Graf, würdet Ihr es auch so machen, wenn mir dasselbe Schicksal blühte?«
    Ich war baff.
    »Himmel, was soll das heißen? Du willst mir doch nicht sagen, daß du auch schwanger bist?«
    »Nein, nein. Aber kann es eines Tages nicht sein? Das liegt in der Natur der Frauen.«
    »Wieso? Habe ich dich nicht gelehrt, die Kräuter anzuwenden?«
    |141| »Das mit den Kräutern, das wußte Margot auch, obendrein belehrt von Eurem Herrn Vater, der ein großer Doktor ist. Und trotzdem
     hat die Natur gesprochen.«
    Hier besann ich mich erst ein wenig, dann sprach ich in ernstem Ton: »Meine Liebe, wenn ich dir nun sagen würde, daß dein
     Kind in dem Fall genauso anerkannt und in meinem Schloß erzogen würde wie das von Margot, kämst du dann nicht in Versuchung,
     mit den Kräutern zu mogeln, damit die Natur spricht?«
    »Bewahre, Herr Graf! Ich werd so redlich zu Euch sein wie immer.«
    »Trotzdem, Frauen wollen Kinder, soviel steht fest.«
    »Liebe Zeit, ja, warum nicht? Aber ich werd von mir aus nicht schummeln, damit es schneller geht. Soll das Kleine kommen,
     wenn Gott will, vorher nicht! Und geb’s

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