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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Burgunders, eine leer,
     die andere halb leer. Und der kleine Berlinghen warf fluchend das Würfelpaar, ein mageres Häufchen Geld vor sich, während
     das meiner beiden Taugenichtse sehr stattlich war. Offenbar waren die beiden im Begriff, |172| das Hähnchen zu rupfen, nachdem sie es betrunken gemacht hatten.
    »Holla, meine Herren«, rief ich mit Donnerstimme und funkelnden Augen, »wollt ihr meine Wohnung zur Spielhölle machen? Gebt
     Monsieur de Berlinghen sofort sein Geld zurück und schert euch in die Küche. Und daß ihr mir erst hervorkommt mit einem guten
     Essen, damit wir den armen Jungen wieder nüchtern kriegen.«
    Sie gehorchten beschämt, mit hängenden Köpfen. Berlinghen aber, den der Wein zuerst stumpf gemacht hatte, wurde nach dem Essen
     auf einmal redselig. Mit noch ein wenig schwerer Zunge entschuldigte er sich für seinen Rausch wenigstens dreimal damit, daß
     er die letzte Nacht kein Auge zugetan habe.
    »Wieso«, sagte ich, »konntest du nicht schlafen? Leidet man in deinem Alter unter Schlaflosigkeit?«
    »Es war keine Schlaflosigkeit, Herr Graf«, sagte er. »Ich war im Dienst des Königs, ich hab ihn um Mitternacht in das Zimmer
     begleiten müssen, wo der Herzog d’Elbeuf und Mademoiselle de Vendôme ihre Hochzeitsnacht hielten. Ich trug den Degen des Königs
     und Soupite seinen Leuchter.«
    »Und was tatest du in dem Zimmer?«
    »Was der König tat: Ich sah zu, wenn auch nur aus einer Ecke und mit niedergeschlagenen Augen.«
    »Du hast zugesehen mit niedergeschlagenen Augen, soso. Und Soupite?«
    »Soupite auch.«
    »Und wo war Ludwig?«
    »Na, mit im Hochzeitsbett.«
    »Und was machte er da?«
    »Wie ich schon sagte, Herr Graf, er sah zu, aber von nah eben.«
    »Störte das die Jungvermählten nicht?«
    »Überhaupt nicht. Sie waren ganz bei der Sache.«
    »Wie lange denn?«
    »Von Mitternacht bis Morgengrauen.«
    »Und du konntest kein Auge schließen?«
    »Wie hätt ich schlafen können in Gegenwart des Königs? Außerdem, weil ich keine Erfahrung hab, war ich schon begierig zu sehen,
     wie der Herzog d’Elbeuf das machte.«
    |173| »Redeten die Vermählten?«
    »Kein Wort. Sie haben nur immer geflüstert, gestöhnt oder geschrien.«
    »Und der König?«
    »Wie ich sagte, Herr Graf, er sah zu. Er hatte es natürlich am besten, so dicht dabei, er war ja mit in dem Bett.«
    »Jaja, aber wie sah er zu?«
    »Meint Ihr, Herr Graf, was für ein Gesicht er machte?«
    »Das meine ich.«
    »Naja«, sagte Berlinghen nach einer Weile Überlegung, »mit so einer gewissen Miene.«
    »Wie, erregt?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Wie denn?«
    »Ich würde sagen, ernst, ganz aufmerksam. So habe ich ihn in Lesigny-en-Brie gesehen, als er zusah, wie ein Zimmermann eine
     Achse mit dem Hobel bearbeitete, die er dann nach und nach in eine Radnabe trieb. Ihr wißt doch, Herr Graf, daß Ludwig immer
     bei Handwerkern stehenbleibt und alles genau beobachtet, damit er es nachmachen kann.«
    »Ich weiß. Und mit derselben Miene lag er mit in dem Hochzeitsbett?«
    »Er lag nicht nur, Herr Graf. Er ging auch um das Bett herum, damit er besser sehen konnte, was passierte.«
    »Und kein Wort, nicht von ihm, nicht von dem Paar?«
    »Nichts. Außer zum Schluß. Und ratet, wer es gesagt hat?«
    »Wie soll ich das raten?«
    »Mademoiselle de Vendôme.«
    »Nach dem, was du gerade geschildert hast, nennst du sie besser die Herzogin d’Elbeuf. Aber, gut, was sagte sie und zu wem?«
    »Zum König. Sie wandte sich zu ihm und sagte mit einem sehr hübschen, ein bißchen müden Lächeln: ›Sire, nun macht das gleiche
     mit der Königin, und Ihr tut wohl daran!‹« 1
    Daß der Junge mir diese Geschichte erzählte, kann ich mir nur damit erklären, daß er seinen Rausch noch nicht verwunden hatte.
     Gewiß wußte er um meine eherne Treue gegenüber |174| Seiner Majestät und hatte volles Vertrauen zu mir. Auch dachte er sich in seiner Jugend und Einfalt bei nichts etwas Schlimmes
     und konnte über das, was sich zugetragen hatte, nur maßlos staunen. Wobei er als Kind des Serails natürlich wußte, daß Könige
     und Prinzen immer ein Publikum haben, wenn sie geboren werden, wenn sie Liebe machen, wenn sie sterben. Sein Irrtum war nur,
     gar nicht zu begreifen, daß das Außergewöhnliche dieser Szene nicht darin lag, daß sie einen Zeugen hatte (den gibt es stets,
     und sei es eine Kammerfrau), sondern daß dieser Zeuge der König war.
    Als Berlinghen seine Geschichte beendet hatte und ich von meinem Staunen zu

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