Rosen des Lebens
ein Partherpfeil war, der hier mit einer Kühnheit, ich
möchte sogar sagen Unverfrorenheit auf den König abgeschossen |170| wurde, die man bei jedem anderen als dem Repräsentanten des Papstes auch als solche genommen hätte. Aber da unsere Priester
durch die Beichte in alle unsere intimsten Geheimnisse eingeweiht sind, neigen sie wohl geradezu natürlicherweise dazu, in
das Privateste unseres Lebens einzugreifen, und sei es das Leben eines Königs.
Bentivoglio sprach ausgezeichnet Französisch mit einem köstlichen italienischen Akzent, der den gutmütigen Klang seiner Stimme
und die Rundlichkeit seiner Erscheinung noch steigerte. Und während ich ihm lauschte, sagte ich mir, daß Bentivoglio mit diesem
Aussehen, dieser Stimme, diesem Akzent, diesem Bauch und dem großen Schatten des Papstes hinter sich wirklich alles sagen
konnte, da bewies er es auch schon.
Dem ersten Teil seiner kleinen Ansprache mangelte es an keinem möglichen Superlativ auf
issima
oder
issimo,
als er dem sehr christlichen König die Glückwünsche Seiner Heiligkeit zur Hochzeit seiner geliebten Schwester, Ihrer königlichen
Hoheit, der
bellissima
Prinzessin von Frankreich, mit dem
illustrissimo
Prinzen von Savoyen aussprach. Doch nachdem er geendet hatte, senkte Bentivoglio die Lider, legte eine wohlbedachte Pause
ein, dann hob er seine schönen schwarzen Augen, blickte Seine Majestät mit vollkommener Demut an und sagte in ruhigem, vertraulichem,
fast familiären Ton: »Sire, ich glaube, Ihr möchtet doch nicht die Blamage erleben, daß Eure Schwester einen Sohn bekommt,
bevor Eure Majestät einen Dauphin hat.«
Gerechter Himmel! dachte ich mit einem höchst unangenehmen Kribbeln in der Wirbelsäule, gibt das jetzt einen Eklat? Dies war
ja nun eine noch größere Taktlosigkeit als der Vorschlag Monteleones, man könnte der jungen Königin doch beibringen, das Begehren
ihres Mannes zu entfachen.
Ich warf einen Blick auf den König, einen zweiten auf Puisieux und Bonneuil. Ludwig war rot, die beiden Diplomaten waren bleich.
Eine Sekunde verrann, die mich ein Jahrhundert dünkte. Doch kein Blitz schlug ein. Im Gegenteil. Leise, aber wohlartikuliert,
ohne jedes Zaudern sagte Ludwig: »Nein, wirklich. Diese Blamage will ich nicht erleben.«
Ich traute meinen Ohren nicht, und sosehr Puisieux und Bonneuil sich auch bemühten, ein undurchdringliches Gesicht zu wahren,
sah ich dennoch, daß sie nicht weniger baff waren als ich. Zum ersten Mal hatte Ludwig sich öffentlich (und vor |171| welcher Öffentlichkeit: dem Repräsentanten des Papstes!) zur
perfezione
seiner Ehe verpflichtet. Wo der spanische Stier gegen eine Mauer gerannt war, triumphierte das päpstliche Lamm.
***
Am Donnerstag, dem vierundzwanzigsten Januar – der Herzog d’Elbeuf und Mademoiselle de Vendôme hatten am Vortag geheiratet
–, versetzte mich ein Gespräch mit einem der beiden Königlichen Kammerdiener in eine solche Verblüffung, daß ich einen ganzen
Tag brauchte, um das Gehörte zu glauben, obwohl der Erzähler unbedingt vertrauenswürdig war. Der Leser kennt ihn bereits,
es war der junge Berlinghen.
Dieser junge Mann nun, ein Rotschopf mit blaßblauen Augen und Sommersprossen, himmelte eine italienische Dame an, die Gemahlin
des venezianischen Gesandten zu Paris, Angelo Contarini. Deshalb hatte er Ludwig um die Erlaubnis und mich um die Gunst gebeten,
bei mir Stunden in der Sprache Dantes zu nehmen, ohne daß er aber dem König, weil er dessen Prüderie kannte, eröffnet hatte,
an welcher Quelle dieser Wissensdurst sich zu laben sehnte. Da Berlinghen mir sein Geheimnis jedoch anvertraut hatte, gewährte
ich ihm diese Stunden, indem ich mir sagte, sie würden solange dauern wie seine glühende Liebe, und die würde bei der ersten
Abfuhr zu Eis gefrieren. Die venezianische Dame gehörte nicht zu jenen, die sich mit grünen Jungen abgaben. Nach meiner Vermutung
duldete sie die Aufmerksamkeiten des Knaben nur, um aus seinem unbedachten Geplapper dies und jenes über den König zu erfahren,
was dem venezianischen Gesandten am Hof von Vorteil sein konnte.
An diesem Donnerstag nun traf es sich, daß ich zu meiner Verabredung mit Berlinghen sehr viel später erschien, weil ich im
Kronrat länger aufgehalten worden war als gedacht. Wie staunte ich aber, als ich meine Wohnung im Louvre betrat und den Grünschnabel
mit meinem Pagen La Barge und meinem Koch Robin beim Spiel fand, auf dem Tisch zwei Flaschen meines
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