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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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hatten es gut; es war noch keiner verhungert. Wenn man nur nicht in die Fremde verkauft wurde...
    Eine böse Zeit. Selbst Pan hatte keinen Spaß mehr, und nur noch selten und in abgelegenen Gegenden erschien er um die Mittagsstunde (die griechische »Geisterstunde«) bocksbeinig und mit Spitzohren dem einsamen Hirten, um ihn zu erschrecken und seinen Schabernack zu treiben.
    So zogen die Bauern mit ihren zweirädrigen Karren, bepackt mit tönernen Milchgefäßen, Käseballen und Olivenöl-Krügen (Butter aß man nicht) auf den holprigen Wegen zur Stadt. Äcker, Weinhänge und steinige Olivenplantagen wechselten mit weiten Strecken voll niedrigem Gehölz, von Hunderten von Ziegenherden kahlgefressen. Nordwärts, auf den Bergen, standen noch Bäume, ein dünner, lichter Nadelwald, der der Sippe des Atheners Krissos gehörte (oder wie immer er hieß). Dort lagen auch seine Kohlenmeiler. Und was nicht Krissos gehörte, gehörte den Medontiden (von denen auch Solon stammte), die das Holz für die staatlichen Werften lieferten und das Harz, mit dem die Weinkellereien den griechischen Wein verharzten. Alle Koniferenwälder bluteten; eines Tages würden sie sterben und Griechenland kahl sein und die Schrate und Nymphen verschwunden.
    Je näher man der Stadt kam, desto lebhafter wurde es. Junge Athener machten auf gestriegelten und geputzten thessalischen Pferden ihren Morgenritt, den kleinen Mantel um die Hüften, nackt auf den Tieren sitzend; oder sie drehten auf der südlichen Pnyxstraße, die zum Meer führte, mit ihren Rennwagen Trainingsrunden. Herrlich sahen sie aus, die Jungen, wenn sie die Pferde zügelten und sich wie ein gespannter Bogen weit zurüdkbeugten, die Arme wie Pfeile vorgestreckt, die schlanken Schenkel zitternd vor Erregung im verspielten Kampf mit den Tieren. Dann rollte ein Zug von Wagen vorüber, der die athenischen Töpferwaren zu den Schiffen brachte. Die Krüge, Schüsseln und Amphoren, bemalt und farbig gebrannt, sahen aus dem Stroh heraus, herrliche Stücke; vielleicht gehörten sie Lykedamis, dem reichen Exporteur, oder den Alkmaioniden, von denen niemand wußte, was sie alles im geheimen besaßen, obwohl sie seit ihrem Eidbruch und Frevel am Athene-Tempel verbannt waren. Die Götter, dachte der Bauer, mögen mich schützen, einem von ihnen je zu begegnen, sicherlich tragen sie das Zeichen der Erinnyen, der Rachegeister, auf der Stirn. Einmal aber, wenn der Fluch gelöst sein wird, werden sie zurückkommen, vornehme, stolze Herren, und die Zeit wird noch schwerer werden.
    Jetzt tauchten die Stadtmauern auf. Ein blauer Teppich begleitete die Straße rechts und links bis zum Tor; es waren die berühmten athenischen Veilchenfelder, schattige Plantagen; im Süden und Osten Veilchen, im Norden Rosen und Krokus; der Duft zog sich, wenn sich ein Windhauch erhob, wie ein Ring um Athen.
    Noch ganz trunken von dem Anblick und voll von dem Duft, den man so liebte, schreckte unseren kleinen Bauern, sobald er in das Gewirr der Kleine-Leute-Straßen eintrat, der vertraute Ruf auf: »Obacht!« und ein Bottich voll Schmutzwasser und Unrat ergoß sich in den Gassenrand. Zugleich entwischten durch die offene Tür zwei feiste Schweinchen, wie sie viele Athener noch mitten in der Stadt hielten. Die ganze Straße rannte den Ferkeln nach; der Schuster, der im offenen Torbogen gehämmert hatte, ergriff den Lederhaken, der Schneider sprang von seinem Dreibein, auf dem er seine Straßenwerkstatt betrieb, und schwang die Maßschnur, der Färber versuchte mit seinen safrangelben Händen die Sterze zu erwischen; da tauchte im richtigen Augenblick die Mannschaft der Straßenreinigung auf und drosch mit ihren Besen die Tiere in den Stall zurück.
    In der Seitengasse lag die große Färberei, die Krissos gehörte. Ein reicher Mann, dieser Krissos, ein glücklicher Mann; welche Farbenpracht konnte er täglich sehen, und wer hinderte ihn, sich alle Gewänder purpurn färben zu lassen, was sich sicher nur die Götter leisten konnten.
    Purpur, ach, Purpur, die Leidenschaft eines ganzen Volkes! Alljährlich kaufte Athen von den phokischen Fischern Millionen von Purpurschnecken, denn so wie eine Muschel nur eine Perle, so schenkte jede Schnecke nur einen Tropfen der glühenden Farbe.
    Die Bauern blieben stehen, wenn sie vorüberkamen, und bewunderten die zum Trocknen aufgehängten Stoffe, diese Träume von zartestem gelbem Hauch über Grün und Blau bis zum homerischen »Purpur der Nacht«. Ihr Götter, war das Leben schön!
    Und

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