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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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fielen auch tatsächlich aus allen Wolken, als sie postwendend die Quittung erhielten: Eine Reihe von Bundesmitgliedern stellte sofort die Zahlungen ein, Böotien (mit Ausnahme Platääs) sagte sich los und rief bei dieser Gelegenheit seine alten oligarchischen Regierungen zurück. Sofort folgten ganz Lokris, Phokis und Megara. Argos hatte sich bereits um 180 Grad gedreht und mit Sparta einen dreißigjährigen Frieden geschlossen.
    Eine Lawine war ins Rollen gekommen! Wer Volksherrschaften kennt, kann sich vorstellen, mit welchen wirren Augen man in Athen jetzt um sich blickte.
    Es mußte etwas geschehen!
    Natürlich. Perikles robbte sich zum nächsten Ereignis weiter. Er mobilisierte das athenische Heer — wie Sie zugeben werden, ein höchst origineller Einfall! — , setzte sich aber vorsichtshalber nicht persönlich an die Spitze, sondern einen Strategen namens Tolmides. Dieses unselige Opferschaf wurde, wie vorauszusehen, 447 bei Chaironeia von den Böotiern fürchterlich geschlagen. Es kam nun alles hageldicht. 446 fiel ganz Euböa ab, und zugleich ging die Waffenstillstandsfrist mit Sparta zu Ende. Es war eine Konstellation, bei der den alten homerischen Helden das Herz im Leibe gelacht hätte. Nicht so den regierenden Volksgenossen in Athen! Und als auf die Minute genau ein spartanisches Heer unter König (ein König, pfui Teufel!) Pleistoanax den Isthmos überschritt, um Megara zu schützen, da wuchsen die Dinge Perikles endgültig über den Kopf.
    Er eilte Pleistoanax entgegen und legte ihm alles zu Füßen, was der Spartaner wollte. Er wollte übrigens nicht viel. Er wünschte nur die Freigabe und Selbständigkeit der von Athen vergewaltigten Mitglieder des Seebundes in Hellas. Die Geschichte hat die Verhandlung als einen glänzenden diplomatischen Sieg Perikles’ hingestellt. Also wieder einmal ein glänzender Sieg. Man hat hohngelacht, daß Pleistoanax praktisch nichts anderes erhielt, als was er schon hatte. Na, und? Wer sagt denn, daß er mehr wollte? Törichtes Lächeln. Und törichte Gerüchte, Perikles habe ihn mit Geld bestochen. Wer das Fazit, daß Athen nun endgültig seine Milchkühe losgeworden war, als glänzend bezeichnen will, dem sei das unbenommen. Er befindet sich damit in Gesellschaft der Athener, die Perikles dafür bewunderten und sehr glücklich über die überwundene Gefahr waren. Nicht wichtig schien ihnen offenbar, daß die Götter das Gleichgewicht in Hellas wieder ausgerichtet und die Uhr noch einmal auf die Zeit vor Athens Reichtum zurückgedreht hatten. Wichtig war, daß das Leben, das herrliche neue, gedankenlose Leben in Athen weitergehen konnte.
    Das konnte es, abgesehen von dem Worte herrlich, noch fünfzehn Jahre im Zeichen des Perikles. Von nun an schaltete und waltete er, wie er wollte. In den Komödien bewitzelte man ihn bereits als »Alleinherrscher«; die Menge lachte und hielt das für komisch, aber natürlich nicht für wahr. Jahr für Jahr wählte sie ihn weiter zum Strategen und Beauftragten des Volkes. Er war ihr selbstverständlich geworden wie dem Kurzsichtigen die Brille.
    »Perikles war nur ein sehr mittelmäßiger Feldherr und als Staatsmann ohne jede schöpferische Genialität« (Beloch). Sein politischer Weitblick war durchschnittlich, seine Konzeption bescheiden. Sogar seine richtigen, politisch guten Handlungen sind alle etwas banal. Wahr aber ist, daß er ein außerordentlich geschickter Parlamentarier war; vielleicht der hervorragendste, den die Welt je besessen hat.
    Sein Geist war geformt, aber nicht befruchtet; sein Herz weit, aber ohne Sehnsucht. Er hatte jene Temperatur, die die Menge zu allen Zeiten als warm und der wirklich Warmherzige als lau empfindet. Seiner musischen Natur verdanken wir die Schätze Athens — dennoch war diese Natur ohne Feuer. Er erwärmte sich an der Kunst, aber er brannte nie. Er war nie ganz im Himmel. Er besaß einfach ein glückliches Naturell und eine glückliche Hand.
    Es hat in Athen Kräfte gegeben, die immer wieder versucht haben, Perikles zu Fall zu bringen. Es gelang nicht; er war zu geschickt. Die Blitze schlugen dreimal hintereinander scharf neben ihm ein; sie erschreckten ihn, aber sie sengten nicht einmal seine tadellose Kleidung an. »Man« (Kimon-Kreise) klagte seinen Freund, den Philosophen und Forscher Anaxagoras, wegen Gottlosigkeit an. Anaxagoras war im Sinne der Griechen allerdings gottlos, seine Lehre bewies es, und er zog es vor, aus Athen zu fliehen. Dann, 432, zitierte man Aspasia vor Gericht.

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