Rosen für Apoll
Fortschrittler ist — vergessen Sie diesen Satz niemals mehr — ein Verbraucher! Mit nichts anderem hat er zu tun. Und damit sind wir bei einer entscheidenden Erkenntnis: Fortschritt ist Umsatz. Und zwar nicht etwa »eine Art Umsatz«, sondern er ist das Prinzip des Umsatzes schlechthin. Sie werden sich fragen, wie ich das Wort Umsatz meine: genauso wie der Kaufmann. Es ist identisch mit dem merkantilen Begriff.
Daher, meine Freunde, ist die Wirtschaft auch der Mäzen des »Fortschritts«! (Und der Todfeind des biblischen Paradieses.) Mit einer Fortschrittsepidemie geht stets eine Wirtschaftsepidemie parallel.
Dies war der Zustand, in dem sich das Perikleische Athen befand. Selbstverständlich war es stolz darauf. Mehr noch; im Zustand des Fortschrittswahns wird die Massenseele tyrannisch. Sie verlangt, daß sich ihr jedermann im Fortschrittsglauben anschließt. Obwohl sie kein Heil weiß, gebärdet sie sich als Heilskünder.
Hier liegt die Erklärung für die merkwürdige Erscheinung, daß Athen Freunde wie Feinde, vor allem aber die »unterentwickelten Länder« aufforderte, dieselbe Verfassung, dieselbe Lebensform, dieselbe Wirtschaft anzunehmen; daß es die nicht Folgsamen zuerst als rückständig belächelte, dann anprangerte und schließlich bekämpfte. Das war etwas, was den Griechen alten Schlages, wie sie in Thessalien, Epirus, Ägina und Sparta saßen, rätselhaft war. Sie nahmen es für eine neuartige, undurchsichtige Politik. Es war jedoch — und ist immer in der Welt — nichts als die Angst vor dem Alleinstehen, der angstvolle Wunsch der wurzellos gewordenen Massenseele nach Bestätigung. Vielleicht mehr: der Wunsch, Vergleichsmöglichkeiten zu vernichten. In solchen Wünschen leben heute ganze Erdteile. Allerdings ohne Parthenon.
... wendet sich wieder den Ereignissen zu. Es nimmt vor allem einmal einen vielgepriesenen Friedensschluß unter die Lupe, wobei sich herausstellt, daß ein latenter Kriegszustand den Frieden oft länger erhält als — ein Friede.
Sorgfältig hat sich Perikles gehütet, die Vorstellung vom ungetrübten Gang der Geschäfte zu zerstören. Es hat zwar an kriegerischen Ereignissen nicht gefehlt, denn es gab bald kaum noch jemanden, mit dem Athen nicht verfeindet war, aber diese Unternehmungen tragen einen neuartigen Charakter. Es waren kurze Schläge, berufsmäßig durchgeführt und bezahlt, rasche Wutausbrüche im Wirtschaftskampf oder nette, runde Einfälle, die man bei der Truppe in Auftrag geben konnte. Sie berührten, und das war sehr, sehr angenehm, den Alltag in Athen fast gar nicht. Der typische Rücklauf der Entwicklung vom früheren Gefolgschaftsheer über die Söldnertruppe zum Volksaufgebot und zurück zum bezahlten Arbeitslosenheer war in vollem Gange.
Athen hat in dieser Zeit auch mit Sparta angebandelt. Ein einziges Mal. Unfreundlich, wie solche rückständigen Staaten sind, zogen die Spartaner sofort blank, statt ein gutes Gespräch zu führen. Um sie »in die Schranken« zurückzuweisen, sandte Perikles ihnen ein Heer entgegen, das er vorsichtshalber um fünfzig Prozent stärker hielt als das peloponnesische. Die Vorsicht war weise, aber dennoch ungenügend. Die Spartaner, obwohl eben noch Rekonvaleszenten von ihrem Erdbeben, schlugen es vernichtend. Wenn es Ihnen recht ist, sparen wir uns die Einzelheiten, bis auf eine. Das Treffen fand bei jenem kleinen Städtchen Tanagra statt, das nicht wegen seiner vorzüglichen Eignung als Kampfgelände mehrerer Schlachten, sondern durch seine wunderschönen kleinen Terrakottaplastiken unsterblich geworden ist; so wie ja auch Szegedin nicht durch seine Schlachten, sondern durch sein Gulasch weltberühmt wurde.
Als die Athener dann bei ihrem Versuch, das ägyptische Papiermonopol gewaltsam an sich zu reißen, auch noch eine schwere, eine sehr schwere und teure Niederlage zur See gegen den persischen General in Ägypten einstecken mußten, da kam ein Augenblick, wo ihnen etwas schwindlig wurde bei der Vorstellung, die Perser könnten anschließend zu Schiff und die Spartaner zu Land kommen! Unter diesem Eindruck streckten sie jetzt allen die Hände entgegen.
Sie streckten und streckten, und keiner nahm sie. Erklärlicherweise empfanden die Athener es nicht nur als rückschrittlich, sondern geradezu als gemein, eine dargebotene Hand nicht zu ergreifen. Am befremdlichsten aber empfand man zum erstenmal das Versagen von Perikles. Und kurz entschlossen rief man Kimon, den Spartafreund, aus der Verbannung
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