Rosen für Apoll
Krieges einen interessanten Punkt: Er erwähnt, daß beide Seiten zum erstenmal in der Geschichte Griechenlands eine Erklärung ihrer moralischen Kriegsziele für die »Weltöffentlichkeit« abgaben. Das ist von Thukydides sehr scharfsinnig bemerkt. Athen beteuerte in der Proklamation seine Friedensliebe und verlangte die Einsetzung eines pan-hellenischen Schiedsgerichtes. Sparta verlangte die Verbannung und Ächtung der Alkmaioniden als Kriegstreiber, die endgültige Befreiung der ionischen Seebundstaaten aus der athenischen Hörigkeit und das Selbstbestimmungsrecht aller Städte. Also Lügen hüben wie drüben; bei Athen bewußt, bei Sparta unbewußt.
Es ging um etwas anderes, um etwas, was wir heute Weltanschauung nennen würden. Die einen trieb die Wut über die Vernichtung der alten Gesittung und Ordnung, die anderen die Wut über die Verhinderung der neuen Ordnung. Was die einen Niedergang nannten, nannten die anderen Fortschritt. Der Knechtung alten Stils durch die »Junker« stand die Knechtung neuen Stils durch die »Wirtschaft« gegenüber — dem Persönlichkeitsglauben der Massenglaube.
In Sparta eilten beim Ausbruch eines Krieges damals noch genauso wie zu alten Zeiten die Landleute von den Feldern, die Handwerker und Arbeiter aus den Häusern zu den Waffen; abwartende Stille lag über der Heimat, wenn das Heer draußen stand, und zur Zeit der Ernte mußten die Krieger heimkehren, um Korn und öl einzuholen. Das Perikleische Athen erwartete, daß das Leben in der Stadt weiterlief, daß Aristophanes weiter seine Lustspiele schrieb und daß man ins Theater ging; daß am Erechtheion weitergebaut wurde; daß die meisten Bürger ungestört daheim waren und das Geld selbständig Krieg führte.
Ein tiefer Schnitt ging durch die Zeit.
Zwei Weltanschauungen zerrissen die Landkarte Griechenlands mittendurch.
Und so sah die Situation aus:
Auf Athens Seite traten (oder wurden gezwungen zu treten) Platää, Euböa, Thessalien, Westlokris, Naupaktos, Akarna-nien, die Inseln Kerkyra und Zakynthos im Westen und Ionien im Osten.
Spartas Verbündete waren der gesamte Peloponnes außer den Neutralen Argos und Achaia, ferner Korinth, Megara, ganz Böotien mit Theben, Ostlokris und Phokis.
Athen wurde von dem 68jährigen Parlamentarier Perikles geführt, Sparta von dem 58jährigen König Archidamos. Athen konnte 13 000 Mann Kerntruppen aufbringen, Sparta 40 000.
Athen besaß 300 Kriegsschiffe, Sparta vereinigte etwa 80. Athen konnte jährlich mit 600 Talenten Kriegszuschüssen rechnen. Sparta besaß nichts.
So sahen die Fronten aus, als der Krieg begann.
...ist er da, der Dreißigjährige Krieg, den anscheinend jedes Volk in seiner Geschichte durchzumachen hat. Da es Deutschland noch nicht gab, kann man schwer sagen, wer schuld, hatte. In diesem Kapitel lesen Sie auch die unsterblich gewordene Rede des Perikles auf die ersten Gefallenen.
Der Peloponnesische Krieg zeichnet sich vor allem durch dreierlei aus: durch seine Länge, durch seine Grausamkeit und durch seine totale Unübersichtlichkeit. Der Leser, der ihn übersteht, ist fast ebenso zu preisen wie der Grieche, der ihn überstand.
Zunächst hat er (der Krieg) die Eigenart, in mehrere Teile zu zerfallen. Ferner in mehrere Schauplätze. Sodann in mehrere Sieger und Besiegte, die sich periodisch ablösen, bis sich das alte englische Sprichwort bewahrheitet, daß derjenige in einem Kriege siegt, der die letzte Schlacht gewinnt.
Vielleicht fällt mir noch eine Faustregel ein; dann teile ich sie Ihnen mit. Zunächst bleibt nichts anderes übrig, als dem ersten Teil, der bis zu Perikles’ Tode reicht, entschlossen ins Auge zu sehen. Er ist noch verhältnismäßig unkompliziert. Er heißt der Archidamische Krieg, weil er u. a. von dem spartanischen König Archidamos geführt wurde. Das ist keineswegs selbstverständlich; viel richtiger sollte er der Perikleische Krieg heißen. Aber Bezeichnungen kommen auf rätselhafte Weise zustande; so nennt sich beispielsweise der fatale Friede, den Perikles mit Persien geschlossen hatte, »Kimonischer Friede«. Ich sage Ihnen das, falls Sie einmal auf dieses Wort stoßen sollten. Kimonisch hieß er deshalb, weil Kimon tot war und sich nicht wehren konnte. Wahrscheinlich hat Perikles selbst ihn zum erstenmal so genannt.
Der Peloponnesische Krieg begann mit einer Eigenmächtigkeit eines der Verbündeten Spartas, nämlich mit einem nächtlichen Überfall der Thebaner auf Platää. Der Handstreich mißlang; einhundertachtzig
Weitere Kostenlose Bücher