Rosen für die Kaiserin
Betroffen vernahm er die Nachricht von Hroswithas Tod.
Jutta mochte den kleinen, redefreudigen Mann, denn er schenkte ihr stets Beachtung. Heute brachte er ihr sogar ein Geschenk mit, einen Wolfszahn an einer Lederschnur, den er ihr mit großmütiger Geste um den Hals hängte.
»Wird dir Glück bringen, meine Kleine«, erklärte er augenzwinkernd. Vermutlich glaubte Lupus, ihr etwas besonders Kostbares zu schenken. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie wertvollere Schätze besaß als einen alten, vergilbten Wolfszahn.
Helmprecht nahm sich Zeit für den alten Freund, führte ihn in den Schatten der Kate. Jutta lauschte dem Gespräch der Männer, während sie ihrer Schwester die Windel wechselte.
»Jedenfalls wirst du nicht umhinkommen, wieder zu heiraten«, verkündete Lupus ernst. Zu Juttas Missfallen nickte der Vater versonnen.
»Gut«, sagte Lupus, als sei es seine Aufgabe, die Planungen für Helmprechts Zukunft zu übernehmen. »Und wie ich hörte, ist der gute Grifo neulich beim Holzfällen nicht vorsichtig genug gewesen.«
Helmprecht nickte abermals.
»Unter uns, Helmprecht, Grifo war schon immer ein unvorsichtiger Trottel.«
»Möglich.« Helmprecht zuckte mit den Schultern und betrachtete seine Füße.
»Sag mal, du und Ursel … Ihr hattet doch früher schon mal ein Techtelmechtel, nicht wahr?«
»Psst«, machte Helmprecht verlegen, mit dem Kinn auf Jutta deutend.
»Oh, verzeih. Jedenfalls scheint es mir der Wille des lieben Gottes zu sein, dass du sie zu deiner Frau machst. Zuerst Grifo, dann Hroswitha – eindeutiger kann ein Zeichen des Himmels nicht sein, findest du nicht?«
Helmprecht schwieg.
»Versteh mich nicht falsch, deine Hroswitha war ein gutes Weib, ich mochte sie wirklich gut leiden. Aber sie wird nun mal nicht mehr lebendig.«
»Nein, das wird sie nicht.«
»Also, du und Ursel …«
»Nein!«, rief Jutta, die nicht länger an sich halten konnte.
»Oho. Kann es sein, dass du keine neue Mama willst?«, sagte Lupus mit einem nachsichtigen Lächeln.
Den Gedanken, den unsäglichen Brun zum Stiefbruder zu bekommen, hatte Jutta schon wieder beiseitegeschoben, nachdem der Vater sich tags zuvor nur unbestimmt dazu geäußert hatte. Aber jetzt wurde diese Möglichkeit zu ihrem Entsetzen mit großer Ernsthaftigkeit erneut erwogen.
»Ich will das nicht!«
»Aber du brauchst doch eine Mutter, meine Kleine«, versuchte der Wolfsjäger sie zu beschwichtigen. »Und deine Schwester, denk doch mal an die! Sie ist gerade mal zwei Tage alt.«
»Ich will es nicht!«, beharrte Jutta, ohne die Begründung zur Kenntnis zu nehmen.
»Sei still!«, mahnte sie Helmprecht mit müder Strenge. »Kümmere dich um das Baby! Und fall uns bloß nicht mehr ins Wort.«
Jutta hätte schreien und um sich schlagen können vor Wut. Ihr Vater und Bruns Mutter würden heiraten, so viel stand fest. Es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
*
Otto entsandte einen Eilkurier mit einem Brief nach Pavia, um seiner Mutter die Geburt des lang ersehnten Thronfolgers anzuzeigen. Zugleich kündigte er ihr sein Kommen an, da die Wirren um den päpstlichen Stuhl seine Anwesenheit in Italien erforderten. Darüber hinaus sei es sein sehnlichster Wunsch, sich mit der geliebten Mutter zu versöhnen, ließ er sie wissen. Auch wolle er ihr voller Stolz ihren prächtigen Enkelsohn in die Arme legen, damit sie ihn an ihr großmütterliches Herz drücken könne.
Drei Monate später erhielt das Kaiserpaar in Trebur Adelheids Antwortschreiben. Ihre Worte waren durchaus warmherzig und verzichteten auf jedwede Klage. Ihre Gebete für den Familienfrieden und für die Geburt eines Enkelsohnes seien erhört worden, erklärte sie freudig. Sie wolle dem Allmächtigen ihre Dankbarkeit kundtun, indem sie Schenkungen an die Kirche mache und künftig noch mehr Zeit im stillen Gebet verbringe. Allerdings sei es nicht vonnöten, ließ sie den Sohn dann wissen, dass er mit Frau und Sohn den mühseligen Weg nach Italien auf sich nehme. Gegenseitige Vergebung bedürfe für gute Christenmenschen nicht der Zusammenkunft. Auch sei sie davon überzeugt, dass der leidige Streit um den Papstthron sich durch den kaiserlichen Statthalter beilegen lasse. Sie selbst wolle alles in ihrer Macht stehende tun, um diese Angelegenheit im Sinne des Kaiserhauses zu regeln. Am Ende klang es fast wie ein Flehen, als sie ihn abermals bat, den Weg über das Alpengebirge zu scheuen und im Kernland des Reiches zu verbleiben, wo seine Präsenz nicht minder notwendig
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