Rosen für die Kaiserin
Kaiserpaar in Aachen. Im Frühsommer machten sie sich auf den Weg nach Nimwegen – in der dortigen Pfalz sollte ihr Kind das Licht der Welt erblicken. Mehr denn je war Theophanu überzeugt, dass es diesmal der ersehnte Thronfolger sein würde, der sich so lebhaft und kraftvoll in ihrem Leib gebärdete.
Als sie Aachen verließen – es war ein trockener, heißer Tag –, deutete noch nichts darauf hin, dass die Wehen bei der Kaiserin vorzeitig einsetzen würden.
10
S
eit ihrem letzten Aufenthalt in Nimwegen waren gut drei Jahre vergangen. Unterwegs versuchte Eunice, sich die Anordnung der Pfalzgebäude in Erinnerung zu rufen. Theophanu, die ihr gegenübersaß, erhielt einen Vorschlag nach dem anderen, an welcher Stelle sie die Kapelle zu Ehren des Nikolaus von Myra errichten lassen könnte. Theophanus Versprechen von einst war keineswegs in Vergessenheit geraten, am wenigsten bei Eunice.
Gemächlich rumpelte der kaiserliche Wagen inmitten des Reisezuges durch den Wald, der unendlich schien, aber wenigstens kühlenden Schatten bot. Der kleine Luitger war endlich eingeschlafen, nachdem er vergeblich versucht hatte, den Monolog seiner Mutter zu unterbinden. Zu eifrig war Eunice mit den Planungen eines Kapellenbaues beschäftigt. Schmunzelnd betrachtete Theophanu den schlummernden Knaben, dessen Gesichtchen ahnen ließ, wie er durch aufregende Traumwelten wandelte.
»Nicht mehr lange, und Ihr dürft Euren eigenen Sohn bewundern«, sagte Eunice.
»Wie sehr er seinem Vater ähnelt«, stellte Theophanu fest. Das Bild des sterbenden Luitger kam ihr in den Sinn. Ihr Lächeln verschwand.
Eunice biss sich auf die Lippen. Es war Theophanu aufgefallen, dass sie nur selten über ihren verstorbenen Gemahl sprach. Als ob sie durch ihr Schweigen Luitgers tragisches Schicksal vergessen machen könnte.
»Verzeih mir«, sagte Theophanu.
»Ihr seid bleich«, entgegnete Eunice, ohne auf die Entschuldigung einzugehen.
Sie schwiegen, und eine Weile waren nur das Rumpeln der Räder und die gedämpften Stimmen der Reiter zu vernehmen. Der Ritt durch die Hitze des Frühsommers machte alle träge.
Eine Welle des Schmerzes, die urplötzlich durch ihren Körper jagte, ließ Theophanu aufstöhnen. »Gott!«, sagte sie mit bebender Stimme.
»Herrin! Was ist mit Euch?« Augenblicklich war Eunice aus ihrer Zurückhaltung gerissen. Besorgt beugte sie sich vor und fächelte der Kaiserin Frischluft zu.
»Ich glaube … es beginnt!«
»Heiliger Pantaleon! Doch nicht hier! Bis Nimwegen ist es noch ein gutes Stück!«
»Sag das dem Wesen in meinem Bauch.«
Eunice beugte sich heftig winkend aus dem Fenster. »Wo ist der Kaiser?«, schrie sie den nächstbesten Reiter an.
»Warum?«, fragte dieser verdattert.
»Die Kaiserin bekommt ihre Wehen!«
»Jetzt?«
»Hol den Kaiser, du Ochse!«
Bald darauf galoppierte Otto heran, begleitet von einem seiner Hauptleute. Behände sprang Otto von seinem Rappen und stieg in das Gefährt.
»Geliebteste!« Er traute sich kaum, sie anzufassen. »Wir hätten in Aachen bleiben sollen«, lamentierte er.
Theophanu unterdrückte einen weiteren Schmerzlaut. »Unser Sohn hat es eilig. Vermutlich wird er ein sturer Dickkopf.«
Aufgeregt lehnte Otto sich aus dem Fenster und blickte seinen Hauptmann hilfesuchend an. »Wo sind wir? Wo können wir lagern?«
»Es gibt ein Forsthaus, hier ganz in der Nähe«, erklärte der Soldat nach kurzem Überlegen.
»Worauf warten wir noch? Bringen wir sie dorthin!«
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, diesmal war Eile angesagt. Der Lärm und die Unruhe hatten den kleinen Luitger längst aus dem Schlaf gerissen. Verängstigt schrie er sich die Seele aus dem Leib.
»Still«, zischte die überforderte Eunice ihm immer wieder zu.
»Lass ihn«, sagte Theophanu. »Er will den künftigen Kaiser begrüßen.«
Die Wehen kamen mit nie erlebter Heftigkeit über Theophanu. Eilig brachte man sie zum Forsthaus, von dem der Hauptmann gesprochen hatte. Zu allem Überfluss brach unterwegs die Achse des Wagens, in dem Theophanu saß und vor Schmerzen kaum noch an sich halten konnte. Otto nahm sie auf sein Pferd; wie ein Gehetzter ritt er mit ihr durch den Wald, eskortiert von seinen Rittern. Als sie das Haus erreichten, war die Fruchtblase der Schwangeren längst geplatzt.
Eilig richteten der völlig verdutzte Förster und seine Frau ein Zimmer her. Man bettete die Kaiserin auf ein Lager und ließ nach einer Hebamme schicken, denn im Gefolge der Kaiserin gab es keine, weil
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