Rosen für die Kaiserin
Jahrhunderten beherrschten.«
»Mutter!«
Otto sprang auf, blieb jedoch stehen, als traue er sich nicht, ihr mit freudigem Ungestüm entgegenzutreten. Auch Theophanu erhob sich, doch sie tat es bedächtig, um den Säugling in ihren Armen nicht zu wecken. Adelheid grüßte die Schwiegertochter mit einem knappen Nicken und heftete ihren Blick auf das eingewickelte Bündel. Dadurch hatte Theophanu Gelegenheit, sie näher zu betrachten. Das Netz von Fältchen um ihre Augen war dichter geworden, das von einem Schleier umrahmte Gesicht schmaler; gleichwohl war sie immer noch von unübersehbarer Schönheit. Sie trug ein langes Kleid, das eher einem Nonnengewand glich, wäre es nicht von himmelblauer Farbe gewesen. Für einen Moment wurden ihre Augen groß und strahlend, während sie den Säugling musterte.
»Er gleicht seinem Großvater«, verkündete sie stolz.
Schließlich richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf Otto, dem die Erregung ins gerötete Gesicht geschrieben stand. Immer noch schien er unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, obgleich er der Begegnung wochenlang entgegengefiebert hatte. Theophanu bemerkte, dass seine Augen feucht geworden waren, und auch der Blick der Mutter wirkte verwässert. Sie machte es dem Sohn einfach, indem sie einladend die Arme ausbreitete. Otto zögerte nicht länger, trat auf sie zu und drückte sie fest an sich. Dann fiel er vor ihr auf die Knie, ergriff ihre Hände und küsste sie immer wieder.
»Vergib mir, Mutter, wenn ich dir nicht die gebührende Achtung entgegenbrachte, wie es sich für einen guten Sohn geziemt«, sagte er mit brüchiger Stimme.
»Vergib mir, mein Sohn«, entgegnete Adelheid in gleicher Weise, »wenn ich dich allzu sehr und viel zu oft bevormundete.«
Dabei hatte sie ihm erst vor wenigen Augenblicken kundgetan, wie töricht die Idee eines erneuerten Römerreiches doch war, schoss es Theophanu durch den Kopf.
»Ich bitte dich, erhebe dich vor mir, mein lieber Sohn.«
Otto tat es und nahm sie erneut in seine Arme. Mutter und Sohn verharrten für eine Weile gleich einer Skulptur, nur das leichte Zittern ihrer Leiber wies sie als Wesen aus Fleisch und Blut aus. Theophanu fühlte sich wieder wie die Fremde, die sie einst gewesen war und wohl immer sein würde. Der Anblick von Mutter und Sohn, die sich versöhnten, gab ihr das Gefühl, die Schuldige an deren Zerwürfnis zu sein. Sie hatte – das ließ sich nicht leugnen – ihren Gemahl oft genug ermuntert, sich von der Bevormundung der Mutter zu lösen und eigene Entscheidungen zu treffen. Otto war ihrem Rat gefolgt, anfangs zögerlich, später selbstverständlich und aus eigenem Antrieb. Irgendwann war es so weit gekommen, dass er grundsätzlich ablehnte, was Adelheid befürwortete.
Wie eine Verstoßene kam Theophanu sich vor, während Mutter und Sohn sich aussöhnten. Genug jetzt, hör damit auf, es ist lächerlich!, hätte sie Otto am liebsten zugerufen; zugleich aber war sie sich ihrer sündhaften Eifersucht bewusst. Scham empfand sie deswegen nicht.
Endlich, unter weiteren Beteuerungen gegenseitiger Hochachtung, lösten sich Otto und Adelheid voneinander. Otto wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Adelheid sah ihre Schwiegertochter an.
»Wie ich sehe, bevorzugt Ihr immer noch griechische Kleidung, Theophanu.«
Bevor Theophanu antworten konnte, war es Otto, der das Wort ergriff. »Ich könnte sie tagein, tagaus nur anschauen, Mutter. Wird sie nicht immer schöner?«
Immerhin nahmen seine Worte etwas von dem unseligen Groll, den sie gegen ihren Gemahl hegte.
»In der Tat«, entgegnete Adelheid, »sie ist so schön, dass es beinahe schmerzt, sie anzusehen.«
Es blinzelte kein Hohn in den Augen der Kaiserwitwe, auch klang ihre Behauptung keineswegs wie Spott, sodass Theophanu beschloss, nicht kleinherzig zu sein und Adelheids Worte als Kompliment hinzunehmen. In diesem Moment schlug der kleine Otto die Äuglein auf und begann zu weinen. Seine Großmutter trat näher. Theophanu reichte ihr das schreiende Bündel. Wie eine Friedensvereinbarung war diese Geste.
»Dem Herrn sei Dank!«, sagte Adelheid. Mit trällernden Lauten versuchte sie, das Kind zu beruhigen. »Er hat Hunger«, meinte sie schließlich und übergab ihn dem Sohn, der fordernd die Arme nach ihm ausstreckte. Stolz stämmte er den kleinen Schreihals in die Höhe und sah zu ihm auf.
»Schon gut, schon gut, ich bringe dich zu deiner Amme, mein hungriger Imperator … Entschuldigt mich«, sagte er zu den beiden Frauen, bevor er mit
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