Rosen für eine Leiche (German Edition)
sich in Spinnweben
verfangen und funkelten im gedämpften Licht. Später zogen im Westen dunkle
Wolken auf, es roch nach Staub und Gewitter. Für meine David-Austin-Rosen
setzte ich ein paar Eisenstäbe um, an denen sie sich emporranken sollten.
Später am Tag klatschten kühle Regenschauer auf meine Terrasse und gegen das
Haus. Die Rosen freuten sich.
Ich stand im Wohnzimmer am Fenster und schaute dem Regen zu. Mein
Blick fiel auf das achtzehn mal achtzehn Zentimeter große silbergerahmte Foto auf
dem Marmorsims. Lola. Manchmal fiel es mir schwer, mir vorzustellen, wie sie in
ihrer Freizeitkluft aussah, denn meist trat sie offiziell auf. Ich hatte die
Aufnahme vor drei Jahren während eines Ibiza-Urlaubs gemacht. Lola saß am Rand
eines grün gestrichenen Holzboots am Pier, verwaschene Jeans und Bootssandalen
an. Oben trug sie ein weites türkisfarbenes T-Shirt, die Frisur vom Wind
zerzaust. Das Haar sah aus, als wäre sie eben erst von einer langen Seereise
bei Windstärke fünf bis sechs zurückgekommen und hätte es gerade mit den
Fingern zurechtgezupft. Lola blickte direkt in die Kamera, ihre Stirn zeigte
die ersten ernst zu nehmenden Falten. Es war das Gesicht und es waren die Augen
einer Frau, die hoffnungslos verliebt war in den Mann, der das Foto schoss.
An diesem Sonntagabend, während der Regen die Hitze durch das Inntal
nach Süden jagte, sah ich »Herrenhaus«, Lolas Sendung. Lola blickte völlig
gegen die Regel direkt in die Kamera, der Bildschirm stand gut drei Meter von
mir entfernt. Einer dieser hybriden Fußballspieler, die ihr Geld hauptsächlich
den Medien verdanken, fläzte sich ihr gegenüber im Ledersessel.
»Sind Sie denn verbandelt?«, fragte er sie während des Interviews.
»Äh, und wie lang schon, äh, und wie lang noch?«
Er kratzte sich am Kopf. Mit den Fingern. Kürzlich, in der
Kochsendung, war es noch eine Gabel gewesen.
Lola warf ihr Haar zurück, beugte sich vor und sagte mit ihrer
dunklen, rauchigen Stimme:
»Wenn nicht Sie es wären, würde ich sagen, nur Proleten stellen
solche Fragen. Doch weil Sie es sind: Ich war bisher mit meinem Partner sehr
glücklich.« Wieder warf sie das Haar nach hinten, trommelte mit den
Fingerkuppen auf den Tisch vor ihr. »Und nur weil Sie so ein einfühlsamer
Mensch sind, verrate ich Ihnen ein Geheimnis. Es ist vorbei.«
Dabei blickte sie unvermittelt in die Kamera, direkt in mein Herz.
Ihre Lippen, die sich dort aufeinanderpressten, waren meine Lippen gewesen. Sie
zärtlich zu küssen, mit der Zunge über sie zu streichen oder behutsam auf ihnen
herumzukauen – meine Lippen. Jetzt aber waren sie ein Strich.
Ich verstand. Ich sprang auf.
Das Bild begann zu flimmern, dann kam die Schrift
»Unterbrechung …«
Ich versuchte, sie nach der Sendung im Studio zu erreichen, sie war
nicht zu sprechen.
Ich rief in ihrer Wohnung an, nur um ihre Stimme auf dem AB zu hören. Eine Nachricht hinterließ ich nicht.
Ihr Handy war abgestellt.
Schließlich kam mir die Idee mit dem Hotel. Wenn es ihr danach war,
pflegte Lola eine Zeit lang in einem Hotel in der Münchener Innenstadt zu
verbringen, dem »Rembrandt«. Dort fühlte sie sich wohl, wurde vom Personal
liebevoll und diskret betreut und abgeschirmt. Nicht einmal ich durfte sie dort
besuchen. Es war gewissermaßen ihr Jahresurlaub.
Ich wählte die »Rembrandt«-Nummer.
»Darf ich Frau Herrenhaus sprechen!«, fragte ich ohne Fragezeichen
im Tonfall.
»Wen bitte?«
»Lola Herrenhaus, die TV -Moderatorin.«
»Einen Moment, bitte«, sagte der freundliche Hotelangestellte.
Und nach einer Weile:
»Tut mir leid. Eine Frau Herrenhaus weilt nicht bei uns.«
Hätte ich mir denken können. Selbst wenn sie da war, würde sie ihre
Anwesenheit dementieren lassen. Ich versuchte es später noch einmal.
Diesmal erwischte ich eine junge Dame an der Rezeption. »Tut mir
leid«, sagte sie. »Ich darf Sie zu Frau Herrenhaus nicht durchstellen.«
Ich schnurrte wie eine Katze.
»Ach, seien Sie so nett, es ist wichtig. Ich bin ein Freund von
ihr.«
Schnippisch kam es zurück: »Wenn Sie ein Freund sind, dann kennen
Sie auch den Code.«
Code? Ich probierte es aufs Geratewohl.
»Joe«, sagte ich.
Die Tonart änderte sich. »Ja, gerne. Wen darf ich melden?«
Ich nannte meinen Namen.
»Einen Augenblick. Ich verbinde mit Frau Herrenhaus.«
Joe. Sie hatte meinen Namen als Codewort gewählt. Ich schöpfte
Hoffnung.
Die weibliche Stimme von vorhin meldete sich wieder.
»Tut mir leid, Herr Ottakring. Frau
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