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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Begierde wuchs, und ich gestand mir ein, dass ich Chili schon
immer begehrt hatte. Ich gierte nach dieser Frau, nach ihrem Duft, ihrem
Schweiß, ihren Schreien. Maßlos steigerte ich mich auf den wenigen Metern in
einen Zustand der Ekstase hinein.
    »Chili, du musst mir helfen«, sagte ich.
    »Ja, ich helf dir«, sagte sie.
    An Lola dachte ich keinen Augenblick mehr in diesen Minuten.
    Chili strich mir flüchtig übers Haar. Gemeinsam überwanden wir alle
Hürden, die sich uns in den Weg stellten: die antike Anrichte im Entree mit
frisch geschnittenen Rosen darauf; die düstere Standuhr, die, ebenfalls
weihbischöflich, bis unter die Decke ragte; Herrn Hubers haariges Bett und schließlich
Herrn Huber selbst, der sich exakt vor der Schlafzimmertür ausgestreckt hatte.
    Eng umschlungen ließen wir uns aufs Bett fallen. Herr Huber gähnte
laut und verächtlich, als ich Chili die Kleider vom Leib riss. Eine
Leidenschaft brach aus uns heraus, wie ich sie so üppig und brünstig noch nie
erlebt hatte. Wir keuchten wie Rennpferde, die durchs Ziel galoppieren, die
Stute stets mit einem halben Kopf voraus. Nackt lagen wir auf dem Bett, und auf
Chilis schweißnasser Haut konnte ich jedes Körpermal entdecken. Aber die Zeit,
mich daran zu erfreuen, fehlte mir. Plötzlich packte mich eine gewaltige Macht
und drohte mich aus dem Bett zu kippen. Jäh beherrschte mich ein unbarmherziger
stechender Schmerz in meinem Rücken.
    Jeder nachhaltige Druck von Armen oder Oberkörper, von Hüfte,
Schenkeln und Becken, jede hastige Bewegung, alles will in meinem Alter
sorgfältig auf Gefahr und Wirkung geprüft sein. Wie hatte ich das unbeachtet
lassen können. Bei keinem Vorgang im Repertoire männlichen Verhaltens werden
nacheinander oder gleichzeitig so viele Streck-, Beuge-, Hebe- und
Dehnbewegungen vollführt wie beim Sexualakt. Wehe dem, der gegen solche Abläufe
im Stehen, Sitzen, Liegen anfällig ist, ganz zu schweigen von den tückischen
Verrenkungen, die ein kühnes Wechseln zwischen diesen Stellungen erfordert. Ich
hatte die Warnungen des Körpers, derartige Bewegungen durch Vertikale und
Horizontale nicht zu unternehmen, in der kurzen Zeit im Bett mit Chili
missachtet.
    Ich zog mich sehr vorsichtig in eine Ecke des Betts zurück und blieb
wie gelähmt liegen.
    Chili rauschte aus dem Zimmer und kam mit einer angebrochenen
Flasche Franzbranntwein aus dem Badezimmer wieder. »Komm, leg dich auf den
Bauch«, sagte sie.
    Sie rieb mich mit dem Mittel ein, danach mit Mobilatsalbe. Es brannte
höllisch.
    »Das hilft bestimmt«, sagte sie.
    Sie verzichtete darauf, den Notarzt zu rufen, bevor sie sich mit
einem vorsichtigen Gutenachtkuss verabschiedete. Ich hörte ihr Auto anspringen,
dann war alles wieder still. Es war, als hätte es nur meinen Anfall gegeben,
sonst nichts.
    Ich wälzte mich im Bett. Zum einen vor Schmerz, der weiter
anhielt, und zum anderen weil ich mir vorkam, als wäre ich kurz davor gewesen,
meine leibliche Nichte zu verführen. Ich fühlte mich mies und überlegte, welche
Art von charakterlichem Defekt ich wohl hätte. Ich empfand mich treulos Lola
gegenüber und doch von Chili angezogen wie von einem Magnet. Es war nur eine
sexuelle Begegnung gewesen, doch was waren die Konsequenzen? Wie unbefangen
konnte ich Chili zukünftig gegenübertreten? Lola, flüsterte mir das kleine
Männchen in meinem Hirn zu, hat sich aus eigenem Entschluss zurückgezogen, du
bist frei. Und, fuhr es fort, wer hat das Spiel begonnen, du oder Chili? Na
siehst du, warum also ein schlechtes Gewissen haben, zier dich nicht so.
    Es kam nicht oft vor, dass ich eine halbe Schlaftablette für die
Nacht nahm, doch diesmal tat ich es.
    Von einem Höllenkrach wurde ich geweckt. Die Welt schien
gerade unterzugehen. Das Telefon schrillte, die Türklingel schellte, draußen
läuteten die Kirchturmglocken, und eine Sirene heulte aus dem Dorf herüber. Der
ganze Lärm wurde überlagert vom Gebell Herrn Hubers, der wie ein Verrückter an
der Wohnungstür stand und mit den Vorderpfoten auf die Klinke hämmerte.
Schließlich kriegte er sie auf und fegte hinaus. Ich wusste, dass er auch die
Haustür öffnen würde. Sie krachte gegen die Wand. Draußen war es taghell, es
war halb neun.
    »Tach, Huberlein. Na, nich so stürmisch«, hörte ich. Eine
Stentorstimme. »Is dein Herrchen da?«
    Den Ton kannte ich. Liebermann. Er war noch nie bei mir gewesen. Was
wollte er um diese Zeit? Ich äugte um die Türfüllung herum.
    »Na, Sie sehen ja sexy aus«, trompetete

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