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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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nach
Fressbarem absuchten.
    Es war Abend geworden, als ich schließlich das Restprogramm des
Tages durchzog. Zuerst quälte ich den Heimtrainer für zwanzig Minuten, das
brachte bei neun Komma sieben Kalorien Verbrauch in der Stunde pro Kilogramm
Körpergewicht exakt zweihundertzweiundsechzig Kalorien. Dann sprang ich befreit
unter die Dusche und cremte anschließend den gesamten Körper mit einer
entsetzlich teuren Anti-Aging-Lotion für sofort spürbar weichere Haut ein.
Nackt, wie ich war, schaltete ich die Gartenbeleuchtung an und schob die
Glastür zur Terrasse zurück, um mich vom Abendwind trocken streicheln zu
lassen. Zum Teufel mit Lola, ich fühlte mich fit und sauwohl.
    Doch dann verengten sich meine Augen.
    Eine Gestalt saß mit dem Rücken zu mir im blauen Gartenstuhl. Herr
Huber bellte kurz auf, hisste den Schwanz und schoss auf die Silhouette zu.
    Die Gestalt bewegte sich nicht.
    Herr Huber begann sie wedelnd zu umkreisen.
    Ich trat zur Seite und erkannte, wer es sich auf meiner Terrasse
bequem gemacht hatte.
    »Chili«, sagte ich. »Du?«
    Sie kopierte meinen Ton. »Du? Jetzt? Hier?«, sagte sie. »Ja. Ich.
Hier.« Sie verschränkte die Arme, blieb sitzen, blies Luft durch die Nase.
    Mein Spalier-Geißblatt an der Hauswand duftete stark.
    Die Gartenbeleuchtung zeichnete einen Kreis auf Kies und Gras vor
der Terrasse.
    »Hi. Hallo, Joe«, sagte Chili.
    Ich legte ihr von hinten die Hand auf die Schulter. Sie schauderte,
denn ihr war nicht entgangen, dass ich nackt war. Wortlos ließ ich sie zurück,
ging in die Küche und mischte uns zwei Campari Soda, warf Eiswürfel ins Glas,
steckte zwei halbe Limonenscheiben auf den Rand und warf zwei gebrauchte
schwarze Strohhalme hinein, andere waren nicht da. Es war schon nicht einfach
gewesen, zwei Gläser zu finden, an denen nicht irgendwo etwas abgesprungen war.
    »Kann man hier was zu trinken kriegen?« Ihre Worte kamen aus der
Dunkelheit. »Bitte«, setzte sie nach.
    »Schon unterwegs«, sagte ich, streifte aus reiner Höflichkeit eine
Sporthose über und ging hinaus.
    »Warum hast du mich nicht über diesen Abschiedsbrief informiert?«,
fragte ich und setzte mich neben sie.
    »Danke für den Drink.« Sie schwang ihr Glas hin und her. Die
Eiswürfel schlugen gegen das Glas. Statt einer Antwort griff sie mit der
anderen Hand an mir empor und fuhr mit Daumen und Zeigefinger über meine
Lippen, wie um sie zu verschließen. Sie saugte an ihrem Drink und verschlang
mich mit den Augen. Ihr Blick war ohne Mitleid.
    Mein Instinkt, mein Verlangen rang mit dem Anerzogenen, dem Schicklichen,
mit den unerbittlichen Grundsätzen des zivilisierten Menschen. Ich versuchte,
an etwas anderes zu denken, an die Toten im See, an Herrn Huber, wenn er
schwamm, ans Triforium einer dreischiffigen Emporenbasilika. An Lola.
    Der Versuch misslang.
    Sie musste gespürt haben, was in mir vorging.
    Wir sagten nichts. Nach jedem Schluck begegneten sich unsere Blicke,
und wir lächelten uns an. Wie zwei Fremde, die einander nichts zu sagen und
nichts anderes zu tun haben, als die Zeit mit Nippen und Saugen totzuschlagen,
bis sie sich in die Arme des anderen werfen können.
    Um die peinliche Stille zu überbrücken, fragte ich: »Habt ihr schon
rausgekriegt, warum die beiden nackt waren? Und wo ihre Kleider sind?«
    »Sind deine Gedanken nur beim Dienst?«, fragte Chili nach einer
Weile leise. »Hast du gar nichts anderes im Sinn? Im Übrigen kannst du das ja
selber herausfinden.« Ihr Ton war mit einem Mal ins Schnippische gekippt.
»Scholl hat dich schließlich als Nebenermittler engagiert, wie man so hört.«
    Sie legte eine kleine Pause ein. Dann zuckte sie mit den Schultern,
leerte ihr Glas halb und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, ihr zu folgen.
Sie war noch nicht oft in meiner Wohnung gewesen. Sie kannte das Wohnzimmer,
die Terrasse und die Gästetoilette. Doch noch nie hatte ich ihr gezeigt, wo
mein Schlafzimmer lag. Mit schlafwandlerischer Präzision zog sie mich an der
Hand hinter sich her genau dorthin.
    Ich fühlte mich wie in einer Falle, aus der es kein Entrinnen gab.
Ich war in Chilis eisernem Griff gefangen, und dieser Zwang lähmte meinen
Widerstand, löschte ihn vollständig aus.
    Sie zog mich durchs Wohnzimmer, vorbei an dem geschnitzten
Eichenschrank, einem Erbstück eines Onkels, der Weihbischof war. Wir fielen
beinah über das CD -Rack und stolperten gegen den
Türrahmen. Mit dem Ellbogen schaltete ich versehentlich den Kronleuchter über
dem Glastisch an.
    Meine

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