Rosen für eine Leiche (German Edition)
Arme hielt er am Rücken. Vermutlich hatte er
dort Handschellen für mich reserviert. »Frau Martha Steiner«, ergänzte er.
»Absolut«, sagte ich. »Steiner ja. Martha weiß ich nicht.«
»Da drin«, sagte er und nickte mit seinem ausladenden Kinn in das
Malteserauto hinein. »Das ist die Steinerin.«
Harry turnte wie verrückt zwischen einem Polizisten und einem
Malteser herum, die ihn festhielten. Die Zigarette war ihm aus dem Mund
gefallen. An seiner Lederhose waren dunkle Flecken.
»Mörder, Mörder!«, schrie er in einem fort. »Sie haben meine Mama
umgebracht.«
Unter Tränen krächzte er leise: »Wenn sie stirbt.«
Martha Steiner, hieß es im Protokoll, war auf dem steilen
Abhang zwischen ihrem Mietshaus zu meinem Mietshaus ausgeglitten, hatte den
Halt verloren und war die Böschung hinuntergekullert.
Der Dorfpolizist ergänzte mit dumpfer Stimme: »Und von einem Ihrer
Eisenstäbe gepfählt worden.« Sein Kinn wackelte wie Pudding, als er
wiederholte: »Jawoll, gepfählt, Herr Kriminalrat.«
Ich erfuhr, dass ihre linke Brustseite im Abrollen auf einen der
Eisenstäbe getroffen war, mit denen ich die Rosenbüsche neu befestigen wollte.
Die Spitze war zwischen zwei Rippen gedrungen. Sie hatte Glück gehabt, denn
innere Organe waren nicht betroffen.
Ganz nebenbei fand ich damit schlagartig meine Vermutung bestätigt,
wer sich ständig an meinen Rosen zu schaffen machte.
Der Polizeibeamte beugte sich zu mir und streichelte versonnen sein
Doppelkinn. »Sie sind der Kriminalrat, nicht ich. Ich weiß auch nicht, was ich
machen soll. Wer kann denn wissen, was alles so passiert auf der Welt«, sagte
er. »Sie hat nicht einmal stark geblutet. Sie war ohnmächtig, als wir sie
gefunden haben.« Er unterbrach sich, um meine unausgesprochene Frage zu
beantworten. »Ein Nachbar«, sagte er. »Der Nachbar unter ihr hat uns
verständigt.«
Mit der Handkante schob er die Mütze wieder in die Stirn. Seine
Ohren waren außerordentlich lang und unglaublich gerötet.
»Sie wollte trotz ihrer Verletzung gleich wieder auf ihren Balkon,
putzen, aber wir haben vorsichtshalber den Sohn verständigt. Seine Handynummer
ist auf ihrer Schürze aufgenäht. ›Harry‹, und dann die Nummer. Seit er da ist,
hat er sich aufgeführt wie ein Irrer, der Harry, sag ich Ihnen. Wie ein Irrer.
Er wollte Sie umbringen, als er das mit den Eisenstäben gehört hat. Ich sag
Ihnen, der spinnt.« Er unterbrach sich und tippte an den Rand seiner
Dienstmütze.
Der Fahrer des Malteserwagens war herangetreten, um sich zu
verabschieden. »Wir fahren die Frau jetzt weg«, sagte er. »Ins Klinikum nach
Rosenheim.«
Die Natur hatte die absolut passende Beleuchtung für diese Szene geschaffen.
Die untergehende Sonne breitete einen zartrosa Lichtschein über das Massiv des
Wendelsteins und malte blutrote Kumuluswolken an den Himmel darüber.
Der Harry! Da legst die Ohren an! Ich hatte ihn ja schon einmal
alles andere als hilfreich und freundlich erlebt. Als er mir fast an die Gurgel
ging, weil ich nicht den Geldverleiher spielen wollte.
Darüber dachte ich nach, als ich nach Rosenheim fuhr, um endlich,
immer noch gegen meine innere Überzeugung, in den Besitz eines mobilen Telefons
zu kommen. Nicht etwa, dass nun auch mich der Virus ständiger Erreichbarkeit
befallen hätte. Doch wenn ich in München, am Chiemsee oder sonst wo in der
Rosenheimer Provinz umherziehen wollte, um zu recherchieren, wollte ich
telefonieren können, ohne mir jedes Mal eine Zelle suchen zu müssen.
Flugs erwarb ich also ein Handy. Ich verließ das Geschäft und sah
mich um. Gegenüber dem Polizeipräsidium, auf der Loretowiese, bauten sie das
Herbstfest auf. Hatte ich vollkommen vergessen, es war Mitte August, natürlich,
die Wiesn.
Auf der Münchener Wiesn war ich oft gewesen, auf der Rosenheimer
noch nie. Der Platz hatte ein Sechstel der Größe vom Münchener Oktoberfest,
doch in Rosenheim dieselbe Bedeutung. Der größte Parkplatz der Region war
dabei, sich in die umwerfendste Gaudi zwischen München, Salzburg und Innsbruck
zu verwandeln. Man sagte, dass dieses Fest zwar kleiner, dafür aber
persönlicher, uriger sei. Keine wild gewordenen Australier und Kanadier, keine
bierseligen Japaner. Nur da und dort ein paar betrunkene Preußen oder
Italiener. Die zwei gigantischen Biertempel standen schon, überragt vom
Riesenrad und umgeben von Dutzenden von Buden, Ständen und Fahrgeschäften.
Durch den Eingang, der einem Stadttor nachgebaut war, fuhren pausenlos Laster
ein
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