Rosen für eine Leiche (German Edition)
einen schlauen Spruch auf den Lippen gehabt. ›Die Frage ist, ob du
Gerüchte oder die Wahrheit hören willst, Bruder‹, hat er gesagt. Er wisse oft
nicht, wie er das auseinanderhalten kann.«
Pauli lachte wieder und schüttelte seine Glatze nach vorne aus, als
habe er lange Haare voller Läuse. »Ich bin ja auch nicht auf den Mund gefallen.
›Gerüchte entstehen selten, ohne dass es eine Ursache gibt‹, hab ich gesagt.«
Er legte einen Finger an die Nasenwand und sah mich mit hochgezogenen
Augenbrauen an. »Na, wie war ich?«
Ich verzichtete darauf, laut in die Hände zu klatschen. Manchmal
hörte Pauli sich einfach gern selbst reden.
»Was hast du jetzt eigentlich rausgefunden?«, fragte ich ihn. »Hast
du Infos, die zählen, oder nur solches Geplänkel?«
»Okay, Bruder«, sagte Pauli und grinste schräg. »Krieg ich noch eine
Apfelschorle?«
Früher konnte ich solche Sachen auf Spesen laufen lassen. Jetzt war
es eine reine Privatinvestition. Ich nickte und machte eine lockere
Handbewegung zur Kellnerin hin.
»So war’s jedenfalls gewesen«, fuhr Pauli fort. »Bellini hat unter
denen, die in München Kunst kaufen und verkaufen, entscheidenden Einfluss
gehabt. Er hat bestimmt, was gelaufen ist. Konnte Künstler fallen lassen und
andere berühmt und reich machen. Fördern nannte er das. Helen Esterding hat er
auch gefördert. Das bedeutet, dass er sie gebumst und dafür ihre Bilder an den
Mann gebracht hat.«
Die Kellnerin kam, brachte Paulis Schorle und räumte den Tisch ab.
Ich fand das sehr beachtlich an dem Mann. Sonst trank er immer Bier,
selten einen Obstler. Doch wenn er die Harley dabeihatte, ließ er es bleiben.
Null Alkohol. Er prostete mir zu und nahm einen tiefen Schluck.
»Jedes Wochenende hat die Esterding in seiner Villa verbracht. Er
hatte so ein herrschaftliches Gut draußen vor der Stadt, einen umgebauten
Bauernhof, glaub ich, das Haus war ja auch in der Zeitung abgebildet. Was die
Esterding wohl zu dem Zeitpunkt nicht gewusst hat: Der Bellini hat zusätzlich
eine Wohnung in München gehabt, drüben im Arabellaviertel. Und in diese Wohnung
hat er sich jede Woche Mädchen bringen lassen. Auch mehrere.«
Paulis Augen hefteten sich intensiv an mir fest. Sie leuchteten
hell. Er lächelte mild, als er fortfuhr.
»Mädchen, meine ich, nicht junge Frauen. So. Und irgendwann ist ihm
die kleine Esterding wohl draufgekommen. Bevor sie’s mitgekriegt hat, ist sie
ganz brav immer nur nach Bad Wiessee gefahren zum Roulette. Aber als sie’s
erfahren hat, das mit den Weibern, hat sie sich selber auch Kerle besorgt und
mit auf den Bauernhof genommen. Da rauschte es dann bis in der Früh, bis der
Alte wieder an die Tür geklopft hat. Schließlich soll sie’s auch noch aushäusig
getrieben haben, heißt es. Also wenn du mich fragst, Bruder …«, Pauli
lehnte sich nach hinten und machte eine obszöne Geste, »… ich hätt sie
nicht aus dem Bett geschmissen, wenn sie mir vor die Flinte gekommen wär.«
Er nahm noch einen Schluck und rülpste leise.
»Persönlich gekannt hat der Zack Borsody die Esterding nicht. Nur
gesehen hat er sie einmal, hat er gesagt. Die Infos machen halt so die Runde in
diesen Kreisen. Das ist das Komische an der Weltstadt München. Wenn die Wilma
Maier eine Affäre mit dem Hugo Müller hat, dann weiß das nachher jeder.«
Pauli sah auf die Uhr, klatschte mit den Händen auf die Oberschenkel
und sprang auf. Ein Knie rammte gegen die Tischplatte. Er jaulte auf.
»Das war’s.«
An der Art, wie er an seiner Jacke herumzupfte, erkannte ich seine
plötzliche Ungeduld. Pauli hatte noch was vor.
»Wart mal, Bruder«, kam ich ihm zuvor. »Beantworte mir noch eine
Frage. Kunsthändler kaufen und verkaufen Bilder, richtig? Meistens sind diese
Menschen doch Möchtegerne oder Hungerleider. Aber dieser Bellini, der war doch
richtig bissig und richtig reich, oder? Da muss er doch noch andere Dinger
gedreht haben. Oder?« Ich schaute Pauli aus schmalen Augen an. »Und wenn er so
reich geworden ist, was hat er anders gemacht als seine Kollegen?«
Pauli nickte heftig. Er legte den Virginiastumpen sorgfältig am
Aschenbecherrand ab.
»Der Bellini hat echt was von Bildern und Skulpturen verstanden. Und
er hat einen Riecher für alles gehabt, was beim Publikum ankommt. Außerdem hat
er nicht nur gehandelt. Er hat Bilder aus seinem Besitz an Firmen und Reiche
vermietet, hat Auktionen gemacht und unter anderem Namen einen
Kunst-Versandhandel betrieben.«
»Das alles geht doch in so
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