Rosen für eine Leiche (German Edition)
Domingo
ein und fuhr nach Seehäusl. Bei meinen Ermittlungen hatte ich seit Neuestem
eine Kopie meiner alten Polizeimarke aus München dabei, ein messingfarbenes
Oval an einer Metallkette.
Die Bucht, an der die Surfschule lag, zu der Georg Liebermann mit seiner
Freundin hingerudert war, hatte ich problemlos gefunden. Das Ufer war mit
Bäumen bewachsen, ein Campingplatz hatte sich in einer Ecke breitgemacht. Im
flachen Wasser stritt sich ein Geschwader Möwen um einen verendeten Fisch. Ein
Vogelpaar flog auf und kämpfte noch im Fliegen um die Beute, bis es sich auf
dem abgedeckten Rumpf eines Katamarans niederließ. Dort zerrten und kreischten
die Vögel weiter.
Den Inhaber der Surfschule zu finden gelang mir erst nach etlichen
Fragereien. Er war ein Beachboytyp mit schulterlangem, gelbem Haar, trug ein
grell gemustertes Shirt und schwarze Bikerhosen, die bis unters Knie reichten.
Misstrauisch beäugte er mich.
»Kennen Sie Georg Liebermann?«, begann ich.
»Warum soll ich Ihnen das sagen?«, sagte er. »Ich kenne viele Leute.«
Er hatte die Angewohnheit, sich andauernd im Schritt zu kratzen.
»Deswegen«, sagte ich und hielt ihm die Messingmarke unter die Nase.
Ich erläuterte ihm, warum ich hier war.
»Ist der Georg Liebermann allein gewesen, als er bei Ihnen
aufgetaucht ist?«, fragte ich.
Die Kratzgeschwindigkeit verdoppelte sich. Warum war der Bursche so
nervös? »Ich hab doch schon alles der Rosenheimer Kripo gesagt«, sagte er und
winkte ab.
»Wir können auch gleich nach Rosenheim fahren«, heizte ich ihm ein.
»In der Direktion haben sie sehr gemütliche Verhörzimmerchen.«
»Ja, ja, der Liebermann-Schorsch war da«, sagte er schließlich, »der
ist ja immer dabei. An eine Freundin kann ich mich nicht erinnern. Der hat
immer wieder neue. Ich weiß auch nicht, ob er allein war oder so, beim besten
Willen nicht, da waren so viele Leute. Aber mit dem Kahn ist er angekommen, das
stimmt, daran erinnere ich mich, weil das ungewöhnlich war. Aber sagen
Sie … zeigen Sie mir die Marke noch mal?«
»Wir müssen einfach noch mal alles überprüfen«, sagte ich, die
Aufforderung übergehend. »Schildern Sie mir doch bitte einfach alles, was Sie
wissen. Jedes Detail, das Ihnen einfällt.«
»Also gut, hören Sie«, sagte er.
Ich hörte.
»Dem Schorsch sein Kahn, der war weg, als er wieder zurückrudern
wollte.«
»Wann war das?«
»So um drei, halb vier in der Früh. Da ist er dann mit dem Auto von
der Larissa und ihrem Freund mitgefahren. Einen Honda haben die.«
Er bearbeitete die Innenseite des rechten Oberschenkels und warf das
Haar nach hinten. Dann richtete er zwei blitzende Augen auf mich. »Geklaut hat
den Kahn natürlich dieser Kunsthändler aus München. Der ist mitten in der Nacht
mit seiner Freundin rausgerudert, hat die Ruder in den Bach geschmissen, und
irgendwo da draußen hat er zuerst die Alte und dann sich erschossen. Es war
Nordwind und Südströmung in der Nacht, und am nächsten Tag ist das Schiff auch
nach Süden geströmt und ausgerechnet beim Liebermann angelandet. Da wurden sie
dann gefunden. Sind Sie jetzt zufrieden?«
Ende. Sie hörten den Polizeibericht. Das, was der Mann mir
mitteilte, war in jeder Zeitung gestanden. Es hatte sich herumgesprochen.
Unbefriedigend. Aber momentan war aus dem Burschen nicht mehr
herauszuholen. Im Weggehen fiel mir ein, dass ich vor Jahren einmal einen Typ
wie ihn aus der Isar hatte fischen lassen. Er war ertrunken. Sie hatten ihm
einen Mühlstein um den Bauch gebunden.
»Freundschaft! Was wollen Sie denn hier?«
Georg Liebermann, als Informationsdesigner in einer Druckerei
beschäftigt, trug ein rotes T-Shirt mit einem schwarz-weißen
Che-Guevara-Porträt auf der Brust. Er war dreiundzwanzig Jahre alt und wohnte
mit separatem Eingang im ersten Stock eines Bauernhauses, einen Steinwurf vom
Biergarten seines Vaters entfernt.
Auch ihm erklärte ich den Grund meines Besuchs.
»Hatten Sie eine Freundin dabei oder nicht?«, fragte ich ihn.
»Nicht«, sagte er. »Ich nimm doch nie eine mit, wenn ich nachher
eine abschleppen will, ich wär ja blöd. Aber das hat nicht funktioniert. Ich
hab schon eine im Arm gehabt drüben in Seehäusl. Aber nachher, als ich
festgestellt hab, dass der Kahn weg war, da ging sie mir in der ganzen
Aufregung doch glatt verloren.«
Ein süßer blonder Engel mit schwarzer Baseballkappe und knappem,
ausgefranstem Jeansrock trippelte barfuß aus dem Hintergrund heran. Sie hielt
mir ein Glas hin. Es sah verklebt aus.
Weitere Kostenlose Bücher