Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
menschenleeren Straße
mitten in München, wie nach einer erfolglosen Schießerei, und blickte den
beiden hinterher. Mein Blutdruck war im Keller. Ich zitterte.
    In derselben Nacht saß ich mit einem Glas Weißwein im Bett, ließ die
Terrassentür weit offen stehen und fröstelte noch immer. Wie lange ich so saß,
wusste ich nachher nicht mehr. Meine Selbstsicherheit wackelte stark. Ich
fühlte mich als Kopie meiner selbst.
    »Willst du mich heiraten?« Ich hätte Lola die Frage stellen sollen.

ELF
    »Wetter ist etwas, worüber alle Welt schimpft. Keiner aber
unternimmt etwas dagegen. Du auch nicht«, wetterte ich. Herr Huber zog den
Schwanz ein.
    Die Tage flossen ineinander. Ganz Südbayern lag unter einem
bleiernen Schleier, der nicht aufreißen wollte. Es regnete beinahe unablässig
in dünnen Schnüren. Das Herbstfest stand endgültig vor der Tür. Dass es zu
dieser Zeit regnete, war eine alte Regel. Das passte zu meiner Laune, steuerte
sie wahrscheinlich sogar. Mein Gefühl der Isolation wurde durch dieses Wetter
noch verstärkt. Es war, als lebte ich allein mit meinem Hund in einem
undurchdringlichen Kokon, der mir den Blick nach draußen versperrte. Trotzdem
und sehr bewusst unternahmen wir lange Wanderungen, von denen wir durchnässt
heimkehrten.
    Nachts schlief ich kaum. Ich wälzte viele Gedanken, alle gleich
verworren, unklar und widersprüchlich. Wenigstens versuchte ich über die
Stunden die Augen geschlossen zu halten. Als ich sie aufschlug, merkte ich,
dass ich wohl doch ein wenig geschlafen hatte, wenn auch unruhig. Die Bettdecke
war auf den Boden gerutscht, und mein rechter Fuß hatte sich um die untere
Bettkante gewickelt. Ich musste mich auf die Seite drehen, um mich zu befreien.
    Dehnübungen, die Fünf Tibeter, Magnesiumpulver,
Nahrungsergänzungstabletten runterwürgen, Saft pressen, Kaffee. Während ich
darauf wartete, dass das Gebräu durchlief, sah ich nach dem Anrufbeantworter im
Arbeitszimmer. Das rote Licht blinkte. Ich drückte die Taste. Chilis Stimme.
    »Bitte ruf mich zurück, Joe. Ich hätte da einen Vorschlag.«
    Sie klang gut aufgelegt und unternehmungslustig.
    Es war Sonntag. Irgendwas musste ich tun, um nicht völlig dem
Trübsinn zu verfallen. Chilis Privatnummer hatte ich lange nicht gewählt.
    »Du verkriechst dich«, sagte sie. »Richtig süß.«
    Wie gern ich diese sanfte, dunkle Stimme hörte. Manchmal war es, als
spräche Lola zu mir.
    Sie flüsterte fast. »Hat dein Trübsinn mit mir zu tun? Hast du ein
schlechtes Gewissen wegen neulich?«
    Ich schwieg beharrlich zu diesem Thema.
    Chili lachte laut auf. »Nein, du und schlechtes Gewissen. Ein
Widerspruch in sich. Du bist ein vollkommen gewissenloser Kerl.«
    Ich hörte sie sich räuspern. Offenbar trat sie auf die Bremse.
    »Zur Sache, Schätzchen. Du wirst’s nicht wissen, aber die Wiesn hat
begonnen. Heut ist schon der zweite Tag. Das ganze Dezernat ist heute Abend im
Flötzingerzelt, sie spendieren uns sogar Bier- und Hendlmarken. Um sechs Uhr
treffen wir uns, bis dahin sollte auch der Regen aufgehört haben. Hättest du
nicht Lust, mitzukommen?«
    Lust hatte ich nicht. Vor allem wollte ich nicht bei der gesamten
Rosenheimer Kripo sitzen. Aber es wäre ein Mittel gegen meine
Trauerrandstimmung, sagte ich mir.
    »Ich möcht nicht bei der ganzen Meute sitzen. Lass uns einen Bummel
über die Wiesn machen«, schlug ich vor. »Nur du und ich.«
    »Na gut. Dann treffen wir uns um halb acht vorm Haupteingang. Ich
komm dann raus«, sagte Chili. »Gleich zum Steckerlfischstand vom Bierbichler.«
    S-teckerlfischstand! Wie das klang. Jedenfalls schien sie sich
auszukennen. Den Schirm ließ ich zu Hause. Es hatte tatsächlich aufgehört zu
regnen.
    Fischsemmeln sind eine Leidenschaft von mir, Fischsemmeln
mit viel Zwiebeln. Am Bierbichlerstand gab es Steckerlfisch, Backfisch mit
Kartoffelsalat, Shrimps in Mayonnaise. Und Fischsemmeln. Ich genehmigte mir
eine und kaute mit vollen Backen.
    »Mahlzeit!«
    Obwohl ich den Eingang zum Flötzingerzelt scharf im Auge behalten
hatte, stand Chili plötzlich hinter mir. Sie war herbstlich gekleidet, braune Cordhosen,
orangefarbener Rollkragenpulli. Eine braune Wildlederjacke hing über ihren
Schultern.
    »Hast du Angst vor mir?«, fragte sie.
    »Absolut«, sagte ich, ohne zu wissen, was genau sie meinte. Dabei
strich ich ihr eine dicke Strähne terrakottafarbenen Haars aus der Stirn.
    Ihre zweifarbigen Augen strahlten mich an. »Du mit deinen
Kussabwehrzwiebeln.«
    Ich verschluckte mich vor

Weitere Kostenlose Bücher