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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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zunächst auch nicht viel her. In kleiner Schrift
gekennzeichnete Ordner reihten sich millimetergenau aneinander, einen
Terminkalender fand ich nicht, auch nicht in den beiden Schubladen.
Versicherungen, Verträge, Briefe, Fotos, Zeugnisse, Steuern, Geldanlagen. Darin
blätterte ich. Aktienfonds, Kommanditanteile an einem geschlossenen
Immobilienfonds in den USA und einem in Kanada. Mieteinnahmen
aus drei Häusern in München. Bankauszüge. Hapimag-Anteile, Ferienwohnungen.
    Der Mann musste Millionär gewesen sein.
    Ein dünner Ordner mit grünem Deckel war unbeschriftet. Ihn zog ich,
mehr aus Neugier, heraus. Die Ablage war eine Art Tagebuch mit Terminen und
Notizen, allesamt privat. Den Kalender fürs Geschäftliche, schätzte ich, hatte
er in seinem Büro geführt. Ich blätterte zurück und fand Einzelheiten seiner
privaten Transaktionen. Namen tauchten auf, teilweise mit Telefonnummern. An
drei Tagen im Mai, an zwei im April und an etlichen davor fand ich einen
Eintrag jeweils in den Abendstunden. Ich zog einen Stuhl her, schnaufte durch
und setzte mich. Ich blätterte.
    » NADINE «, stand da in Großbuchstaben.
Nichts weiter, nur » NADINE «.
    Diesen Ordner nahm ich mit.

DREIZEHN
    Zwei Vollzugsbeamte brachten den Untersuchungshäftling
Herbert Priegel in die schmale, gestreckte Zelle, die man für das Gespräch mit
mir vorgesehen hatte. Links ein Waschbecken, an der Stirnseite ein Fenster,
vergittert, verwaschene Strichmarkierungen an den Wänden.
    Der Mörder war groß und hager und sah mich aus hellblauen Augen an.
Er hatte immer noch diesen schmalen, blonden Oberlippenbart. Seine Igelfrisur
war an den Seiten angegraut. Sein Erscheinungsbild entsprach genau der
Beschreibung des Akkordeonspielers.
    Priegel hatte ein offenes Arbeitshemd mit weißem T-Shirt darunter
an. Er war siebenundvierzig Jahre alt und sah nicht aus wie ein brutaler
Mensch. Man war geneigt, ihn zu unterschätzen.
    »Sie waren schon einmal bei mir. Gell?«, sagte er.
    Meine Augen tasteten ihn ab.
    Herbert Priegel, hätte ich ihn nicht vorher gefasst, wäre
der typische Serienmörder geworden. Ich wusste, was in dieser Art von Leuten vorging.
Sie wollten ihre Beute manipulieren und dominieren. Sie wollten frei
entscheiden können, welches Opfer sie sich aussuchen. Ob es leben oder sterben
soll … und wie es sterben soll. Und wenn sie
einmal damit durchkamen, wurden sie zu Wiederholungstätern. Wenn man sie nicht
bremste.
    Kurz nach seiner Verurteilung hatte ich Priegel damals in der JVA Stadelheim besucht. Ich war allein in der Zelle
mit ihm gewesen. Bereitwillig hatte er mir erzählt, dass seine Mutter ihn
hasste, weil er von klein auf seinem Vater so ähnlich gesehen hätte. Der hatte
die Mutter gequält und die Schwester missbraucht. Dann wurde Herbert Priegels
Größe zum Thema. Mit sechs oder sieben Jahren war er ein Riese unter den
Kindern, und die Mutter befürchtete, er könne seine ältere Schwester
belästigen. Daher ließ sie ihn in einem fensterlosen Kellerraum schlafen,
angebunden an die Heizung. Mutter und Schwester hielten sich oben in ihren
Zimmern auf. Das schürte bei ihm einen abgrundtiefen Hass gegen die beiden
Frauen. Hinzu kam die endgültige Trennung der Mutter von seinem Vater, dem
einzigen Menschen, den er trotz allem mochte. Im Keller blieb er weiterhin. Er
fühlte sich schmutzig und gefährlich, ohne je etwas Unrechtes getan zu haben.
So erblühte seine mörderische Phantasie. »Ich war zwölf oder dreizehn gewesen«,
hatte er geschildert, »als ich die beiden Hauskatzen getötet hab und ihnen die
Beine und den Kopf abgesägt hab. Der einen mit dem Taschenmesser, der anderen
mit einer Schere.« Unsere Psychologen hatten herausgefunden, dass diese
kindliche Grausamkeit gegenüber Tieren der Grundpfeiler seiner späteren
Mordlust war.
    Das war eine Dimension, die zur Vorsicht mahnte. Aus meinen früheren
Verhören, selbst wenn sie zwanzig Jahre zurücklagen, wusste ich, dass Priegels
Haltung weder arrogant und großspurig noch reumütig und zerknirscht war. Er
hatte sich nicht geändert. Priegel sprach mit sanfter Stimme, wirkte kühl,
analytisch und abwesend bis uninteressiert.
    »Drei Zeugen haben Sie bei der Gegenüberstellung eindeutig erkannt,
Herr Priegel«, sagte ich.
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Und wir haben die Tatwaffe. Ziemlich luxuriös, das Ding.«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Und keine Fingerabdrücke«,
sagte er. »Gar nichts haben Sie. Aber mir kann das ja eh wurscht sein, ich

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