Rosen für eine Leiche (German Edition)
weiter. Herrn Hubers knallweiße
Schwanzspitze trommelte gegen den polierten Holzkasten der bischöflichen
Standuhr. Es roch nach verblühten Rosen.
Sie behielt die Arme verschränkt.
»Sie riechen nach Rauch«, sagte sie. »Nach Rauch. Nach Brand. Nach
Feuer.«
Erst da fiel mir ein, dass ich mich seit Liebermanns Brand noch
nicht umgezogen hatte. Ich schnupperte an meiner Schulter. Natürlich. Es roch.
»Sie müssen mir helfen, Herr Ottakring. Ich weiß nicht mehr aus noch
ein.«
»Wegen Harry?«
Sie nickte heftig. »Der Harry, ja. Seit Tagen ist er nicht mehr
heimgekommen. Er hat mich angerufen, da war er total betrunken. Ich hab ja
solche Angst, dass er in dem Zustand Auto fährt. Der verliert noch seine Stelle
deswegen. Verstehen Sie das, Herr Ottakring?«
Ich war stolz. Sie hatte meinen Namen zweimal richtig ausgesprochen.
»Und alles wegen dieser Frau? Wegen der er Sie schlecht behandelt
hat?«
Bevor sie noch den Mund aufgemacht hatte, war ich mir sicher, dass
sie nicht die Wahrheit sagen würde.
»Weiß ich nicht. Er hat mir ein-, zweimal Fotos von ihr hingehalten,
und einmal war sie bei ihm im Auto, da hab ich sie aus der Entfernung gesehen.«
Ich stellte mich breitbeinig vor sie hin. »Frau Steiner. Sie haben
geklingelt, und ich hab Sie reingelassen. Sie sind doch nicht hergekommen, um
mir zu sagen, dass Sie noch Jungfrau sind. Was ist der Grund, aus dem Sie hier
sind? Sagen Sie’s mir. Oder gehen Sie wieder.«
Frau Steiner senkte die Arme und strich ihr Kleid glatt.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr.
»Ich glaub, der Harry ist nicht mehr ganz dicht«, sagte sie sehr leise.
»Ich glaub …« Sie presste die Lippen zusammen und drehte den Kopf zur
Seite, als ob sie draußen etwas hörte.
Auch ich horchte. Eine schwere Maschine tuckerte schwach vor sich
hin. Das musste Pauli sein.
»Der Harry. Das wird doch nicht der Harry sein.« Frau Steiner
flatterte wie ein in die Ecke getriebenes Huhn.
Wir lauschten beide. Der Motor verstummte. Nichts rührte sich.
»Ich glaub …«, wiederholte Frau Steiner nach einer Weile.
»Hallo, grüß Gott«, ertönte eine feste Stimme aus dem Wohnzimmer.
»Stör ich?«
Ich erfuhr nicht mehr, was Frau Steiner glaubte. Ich kam auch nicht
mehr dazu, sie zu fragen, was ich eigentlich hatte fragen wollen. Was zum
Teufel sie denn in Stadelheim zu tun habe bei Herbert Priegel. Was denn der
Grund dafür sei, dass sie einen Mörder besuchen wolle. Ich kam nicht mehr dazu.
Auch dafür, sie auf die abgeschnittenen Rosen anzusprechen, war es zu spät.
Denn Pauli stand im Wohnzimmer. Er wurzelte breitbeinig und schwarz
im Parkett wie Superman, der vom fliegenden Einsatz zurückkehrt.
Frau Steiner schaute kurz. Mit der Linken drückte sie auf ihre
spärliche Frisur, als wäre da ein Hut oder als würde es regnen. Mit der Rechten
riss sie die Tür auf und ruderte, ohne sich zu verabschieden, hinaus ins Freie.
»Wer war das denn?«, fragte Pauli.
Herr Huber rieb den Kopf an seinem Bein.
»Wie kommst du denn hier rein?«, fragte ich dagegen.
Er zeigte auf die Terrassentür.
»War ganz leicht zu knacken, das Teil. Du stinkst nach Rauch.«
»Ich weiß. ›Herrenhaus‹ kommt gleich«, sagte ich und wies auf den laufenden
Fernseher.
»Alles klar. Willst du’s hören oder nicht?«
»Natürlich will ich’s sehen. Ist schließlich meine Lola.«
»Das, was ich dir zu sagen hab«, sagte Pauli. »Ob du das hören
willst, Bruder.«
»Wenn’s lohnt: ja. Aber schnell!«
»Also. Der Harry Steiner arbeitet bei diesem Safemax-Wachdienst in
der Hochbrückenstraße in München. Da bin ich hingedüst. Die Einsatzzentrale
befindet sich im ersten Stock. Lass dir erzählen …«
»… eine Leuchtkarte der Münchener City an der
Breitwand, Straßenkarten mit Pins in verschiedenen Farben an den Seitenwänden
und zwischen den beiden vergitterten Fenstern. Männer in brombeerfarbenen
Uniformen saßen sich an ihren Schreibtischen gegenüber und hantierten mit
Tastaturen, Telefonen, Schreibblöcken. Alles geschah ruhig und unaufgeregt. An
der Tür klebte ein Nichtraucherschild. Der Einsatzleiter hat mir den Platz
gezeigt, auf dem Harry Steiner normalerweise saß. ›Wenn er Einsatz hat. Meist
ist er aber draußen‹, hat er gesagt. Wir gingen ins Dienstzimmer des Leiters.
Ich hab ihn gefragt, ob’s denn normal sei, dass der Harry öfters fehlt. ›Nein,
das ist ungewöhnlich‹, hat er gesagt. ›Der ist immer korrekt, er meldet sich an
und ab, ich kann mich auf ihn
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