Rosen für eine Leiche (German Edition)
Projektile.
Keins in den Körpern, keins im Boot. Am Ufer natürlich auch nicht. Aber weißt
du, was uns am meisten zu schaffen macht?«
Sie war stehen geblieben und sah mich unverwandt an. Ich glaube, ich
nahm in diesem Moment zum ersten Mal wahr, dass ihre Augen von einem
durchscheinenden Dunkelgrün waren.
Was die Ermittler am meisten beschäftigte, konnte ich mir denken. Es
war die Identifizierung der Leichen. Sie fragten sich, wer der Mann war, der
die Frau erschossen hatte. Sie würden verzweifeln, weil sie die Kleider der
Toten nicht finden konnten.
Ich schöpfte aus meiner Erfahrung. Ich begann, mir eine vorläufige
Meinung zu bilden. Doch ich sagte nichts zu Chili. Es gibt kaum etwas
Unangenehmeres als Menschen, die alles wissen oder können und so tun, als seien
sie immer einen Schritt voraus.
Ich löste mich von Chilis Augenfarbe, legte die Arme auf den Rücken
und blickte auf den See hinaus. Der Kompass meines Handelns zeigte nach Norden.
Ich hatte mir von Beginn an fest vorgenommen, mich aus dieser Sache
herauszuhalten. Dass ich hier unmittelbar in einen Ermittlungsfall
hineingeraten war, war reiner Zufall. Die beiden Toten waren direkt vor mich
hingetrieben worden. Ich hatte sie entdeckt. Das war alles. Doch dadurch war
ich verdammt noch mal nichts als ein ganz einfacher lausiger Zeuge. Kein
Ermittler. Kein Reserve-Ermittler. Kein Oberschlauer, der am Rand mitmischt.
Hier war ein anderer der Boss. Wenn der mich bitten würde … Nein, nicht
einmal dann wollte ich mich einschalten. Meine Gesundheit, der Hund, Lola, mein
Garten, die Berge … das hatten die Prioritäten eines Pensionisten zu sein.
In dieser Reihenfolge.
Zögernd drehte ich mich um und blickte zu Chili hinüber. Sie
erwiderte meinen Blick, gut drei Meter von mir entfernt. Ihre Mandelaugen gaben
mir Rätsel auf. Schon öffnete ich den Mund. Doch das, was ich sagen wollte, kam
mir nicht über die Lippen.
Chili. Tochter meines Freundes Torsten. Gut aussehend, immer
fröhlich, sportlich, sinnlich. Vorbild in unserem Beruf. Ich sollte nach dem
Willen ihres Vaters den Aufpasser für sie spielen. Das tat ich auch, so gut es
ging. Mein Puls schlug allerdings in diesem Moment Alarm. So wie fast immer,
wenn ich dieser Frau begegnete. Ich durfte mir nichts vormachen: Ich hatte
Mühe, mich nicht in sie zu verlieben. Was hatte sie in meinem Leben zu suchen?
Ich schnaufte tief durch. Es gab in unserer Gesellschaft Mauern und Zäune, die
eine ungebremste Beziehung zwischen Männern und Frauen verhinderten. Dass Chili
so etwas wie mein Patenkind war, war solch ein Hindernis. Bevor ich über die
anderen Dinge, die ich in mir spürte, zu sinnieren begann, zuckte ich mit den
Schultern und wiederholte ihre Frage.
»Was euch in diesem Fall am meisten zu schaffen macht?«, sagte ich.
Meine Stimme klang brüchig und leicht belegt. »Ihr wisst nicht, wer die beiden
sind.«
»Das auch, ja«, sagte Chili. »Es gibt keine Vermisstenmeldungen in
dieser Richtung. Klar haben wir Fahndungsschreiben an die Dienststellen
rausgegeben, bisher ohne Ergebnis. Wir lassen vorerst eine Isotopenanalyse von
Zähnen und Knochen durchführen, um wenigstens ihren Lebensmittelpunkt
einzukreisen. Kennst du ja. Scholl fürchtet schon, wir werden es riskieren
müssen, sie öffentlich zu suchen.«
Na ja.
»Noch irgendwas?«, fragte ich.
»In den Lungen des Mannes ist Wasser. Als hätte er unter Wasser
gelegen, bevor er die Schüsse abgegeben hat. Noch ist es uns ein Rätsel.«
Etwas rannte über den Kies. Fast holte es mich von den Beinen, als
Herr Huber hinter Wuschel her ins Wasser schoss. Dabei spannte sich die Leine,
ich stolperte und fing mich gerade noch.
Chili lachte auf. »Hopperla«, sagte sie und wischte sich ein paar
Wasserspritzer von der Wange. »Was sagt denn dein erprobter Ermittlerinstinkt,
Herr Kriminalrat? Wer sind die beiden?«
Ich musste ein Grinsen unterdrücken. »Der eine gehört zum Wirtshaus.
Der andere zu mir. Das ist Herr Huber«, sagte ich.
Sie tat es mit einer Handbewegung ab. »Die Vermissten, meine ich.
Wer sind sie? Womit würdest du loslegen?«
Ich rief Herrn Huber zurück und nahm die Leine kurz. Er schüttelte
sich, dass Chili und ich bis zur Hüfte nass wurden. Liebermann, der oben im
Biergarten geblieben war, schickte Wuschel ins Haus.
»Chili, Mädchen«, sagte ich. »Du kennst doch meine Meinung. Ich bin
ein ausrangierter Mördersucher und will nix mehr damit zu tun haben. Eure Soko
macht das schon. Du bist doch hoffentlich mit in
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