Rosen lieben Sonne
Freund vor zwei Tagen gestorben und heute morgen beerdigt worden war. Er sagte, er wolle jetzt eine Weile kürzer treten und daß er nach Puerto Vallarta fahren und ein oder zwei oder auch sechs Monate dort bleiben wolle, und er würde sich melden, wenn er wieder da wäre, und vielleicht würde er mir ne Ansichtskarte schicken.
»Keine Pelikane«, sagte ich, einfach nur um überhaupt was zu sagen. »Ich hasse Postkarten mit Pelikanen drauf.«
Wenig später spazierte ich hinüber zum Two-Two-Two; Jim hatte noch nicht aufgemacht, aber er ließ mich rein, als ich klopfte, dann stellte er sich wieder hinter die Bar und wienerte daran herum. Ich konnte hören, wie Lotus in der kleinen Küche mit Töpfen und Pfannen knallte. Er goß mir ein Bier ein, und ich hielt das Glas gegens Licht und tat so, als sorge ich mich um seine Sauberkeit.
»Ich hatte einen Traum«, sagte ich. »Und in meinem Traum leitete ein wundervoller Schwuler, den ich zufällig kenne, diese Bar für dich, und machte dabei auch ne Menge Umsatz, so daß du dir, wie ich, sobald es dich gelüstete, lange Urlaube im sonnigen Mexico leisten konntest. Und um dich nicht zu Tode zu langweilen, halfst du Dave hin und wieder in seiner Bar aus, die er aus Gründen, die ich auch in meinem Traum nicht einmal ahnte, >Corner Bar< nennt, obwohl sie doch mitten in einer Häuserzeile liegt.«
»Es sollte ein Witz sein«, sagte Jim. »Und wenn dieses Glas schmutzig ist, heiße ich Klementine.«
»Weißt du, Klementine«, sagte ich, »Dave hat mir mal erzählt, daß seine Barmädchen immer nach einer Weile kündigen, aus dem einen oder anderen Grund.«
»Das stimmt«, sagte Jim. »Der eine Grund ist Daves linke Hand, der andere seine rechte.«
»Ich habe es jedenfalls alles gesehen«, sagte ich versonnen. »In meinem Traum. Es war wunderschön. Alle waren glücklich. Nur leider ist diesem Typen, den ich kenne, gerade jemand gestorben und er will ein paar Monate von der Bildfläche verschwinden.«
»Ach ja?« sagte Jim verlegen und polierte an einem bereits glänzenden Aschenbecher herum. »Vielleicht ist das gar nicht schlecht. Daß er wegfährt, meine ich. Ich hab nachgedacht. Vielleicht mache ich einfach ne Weile so weiter. Was ist schon gegen ein paar Schwuchteln einzuwenden?«
»Richtig«, stimmte ich zu.
»Vielleicht heitern sie die Stimmung sogar n bißchen auf.«
»Könnte sein.«
»Ich hab’s satt, jeden Abend dieselben alten Saufgesichter zu sehen.«
»Kann ich verstehen. Wie ich sehe, hast du auch schon dein Schild abgenommen«, sagte ich und wies auf die Stelle oberhalb der Bar, wo das Anagramm von >Arschkriecher< gehangen hatte.
»Das muß Lotus gewesen sein«, log Jim wenig überzeugend und sah sich besorgt um, ob sie ihn hören konnte. »Also, trinkst du jetzt dein Bier, oder willst du nur damit spielen?«
Nur, um ihm einen Gefallen zu tun, trank ich aus und ließ mich zu einem frischen einladen, dann ging ich zurück ins Büro und beantwortete den einzigen Brief, der einer Antwort bedurfte. Ein handgeschriebener Brief von einem Mann aus Torrance, der wissen wollte, ob ich ihm dabei helfen könne, seine Schwiegermutter wiederzufinden. Ich nahm an, daß es ein Scherz war, und zwar gar kein schlechter, aber trotzdem schrieb ich ihm, daß er mich am besten einmal anrufen solle, damit wir einen Termin vereinbaren könnten, vielleicht im Laufe der nächsten Woche?
Den Nachmittag über arbeitete ich an den Zeitplänen, einer ganzen Menge Zeitplänen, und an den ausführlichen Aufgabenbeschreibungen, auch einer ganzen Menge davon. Ich nahm sie mit, als ich einen kurzen Ausflug in die Hollywood Hills, zu Ricks kleinem Häuschen an der Kirkwood, machte. Sie erinnern sich vielleicht, daß ich auf dem Weg zu den Forbes-Schwestern einen Freund von mir erwähnte, der in ihrer Nähe wohnte. Nun, dieser Freund ist Rick. Rick ist die kanadische Variante eines mexikanischen Illegalen, bloß war er über seine Grenze geflogen und nicht geschwommen. Davon abgesehen, hatte er denselben Status: keine Papiere — außer zum Zigarettenrollen —, einen merkwürdigen Akzent, und den größten Teil seines Lebens verbrachte er damit, süßen Mädchen traurige Lieder vorzusingen. Den Rest der Zeit malte er sie, nackt natürlich. Er hatte mir mal erzählt, daß es ihm bei etlichen seiner dusseligen Models gelungen war, sie davon zu überzeugen, daß, um die weibliche Nacktheit angemessen empfinden und verewigen zu können, auch der Künstler nackt sein müsse, aber ich
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