Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
schreitest und dich niederläßt.« Er kicherte in sich hinein. »Das ist ein gutes Mittel, sie daran zu erinnern, wer hier das Sagen hat.«
»Und wer hat das Sagen?«
»Du natürlich. Oder du wirst es haben, falls du nicht vergißt, den Herren Baronen diese Tatsache immer wieder ins Bewußtsein zu rufen.« Er zeigte nach unten, auf einen der geflochtenen Strohläufer, die den Teppich vor Abnutzung schützten. »Auch danach brauchst du dich nicht zu richten - doch allen anderen sollte klar sein, daß sie den Teppich nicht betreten dürfen.«
Jason hatte Thomens Vater nie kennengelernt, aber Karl Cullinane hatte immer mit Hochachtung von ihm gesprochen und von Rahff, und hatte einmal bemerkt, die drei Furnaels seien ein Gegenbeweis zu Tom Paines Behauptung, erblicher Adel tauge nichts, da Tugend nicht erblich sei.
»Bist du sicher?« erkundigte sich Jason.
»Sachte, kehr jetzt nicht den Cullinane heraus. Vertrau mir. Oder, wenn du das nicht kannst, such dir einen anderen Regenten und schick mich zurück in meinen Gerichtssaal - besser noch, in meine Baronie.« Thomen verzog den Mund. »Das war nicht ganz mein Ernst. Zur Zeit gibt es niemanden, der wirklich in der Lage wäre, meinen Posten einzunehmen. Alle sind mit ihren Privatangelegenheiten beschäftigt, außer vielleicht Bren und Garavar, und der alte Gar ist überzeugt, daß es nichts gibt, was sich nicht mit einer Prise Artillerie regeln ließe. Bren wäre keine üble Wahl, aber die übrigen Barone aus Bieme würden einen holtschen Regenten nicht akzeptieren.«
»Du schon?«
Thomen nickte. »Sofern es sich um Bren handelte, ja. Er bewunderte deinen Vater beinahe so sehr, wie ich es tat - wie ich es tue.« Er winkte Jason. »Komm jetzt. Wir gehen besser, bevor die Gäste eintreffen. Wir haben noch etwas Zeit totzuschlagen; was würdest du gerne tun?«
»Ich möchte von dir erfahren, was dich in den letzten paar Tagen so augenfällig beschäftigt hat.«
Was konnte es sein? Mutter war seit Jasons Rückkehr aus Melawei kaum noch in Erscheinung getreten, und die Rückkehr von Danagar war ein Grund zur Freude, nicht zur Sorge. Dennoch schienen die Pflichten eines Regenten unerklärlich schwer auf Thomens Schultern zu lasten.
»Nun, es gibt da ein Problem.« Thomen Furnael biß sich auf die Lippe. »Kann ich es noch eine Zeitlang für mich behalten? Es ist ... es ist ein bißchen verzwickt, und ich möchte überlegen, wie ich es am besten angehe.«
Jason zuckte die Achseln. »Einverstanden. Morgen?«
»Vielleicht schon früher. Es wird bei der Versammlung zur Sprache kommen.«
»Sollten wir nicht vorher darüber sprechen?«
»Besser nicht.« Thomen schüttelte den Kopf. »Nun? Wie möchtest du dir die Zeit vertreiben?«
Jason lächelte. Vielleicht vermochte er politische Zusammenhänge nicht so rasch zu durchschauen wie Thomen, doch es gab etwas, wobei er gewöhnlich die Oberhand behielt. »Zwei-Schwerter-Kampf. Sieg mit drei von fünf Punkten?«
Thomen Furnael nickte. »Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, ein wenig von der überschüssigen Energie abzuarbeiten, wo du immer zuviel von hast.«
»Vater pflegte zu sagen, es wäre grammatikalisch unästhetisch, ein Adverb so zu teilen.«
»Worauf ich mit Walter Slowotski antworten möchte: Grammatik-Schlammatik, sehr verehrter Herr Professor.«
Sie ließen sich von dem Ingenieur vom Dienst die Waffenkammer aufschließen, und während Thomen Hemd und Stiefel ablegte und die Übungsschwerter und Masken hervorholte, nahm Jason sich einen Fidibus und entzündete die Lampen entlang den Wänden, bis die tanzenden gelben Flammen den niedrigen Raum einigermaßen ausreichend erhellten. Erst auf dem einen, dann auf dem anderen Bein hüpfend zog er die Stiefel aus und nahm die stählerne Netzmaske und die beiden Waffen entgegen, die Thomen ihm reichte. Die Maske war im Grunde genommen ein aus Stahldraht geflochtener Eimer, der über den Kopf gestülpt und von einem Band gehalten wurde. Bei der ersten Waffe handelte es sich um ein Florett mit starrer Klinge und einer an die Spitze geschweißten Schutzkappe, die etwa zweimal so groß war wie Jasons Daumennagel. In der zweiten Hand hielt der Fechter bei Übungskämpfen einen kurzen Holzstab von ungefähr Unterarmlänge, ein Ersatz für den Dolch, der beim Kampf mit zwei Schwertern zum Einsatz kam.
Jason legte die Waffen beiseite, so daß er sein Obergewand an einen Pflock in der Mauer hängen konnte. Gleichzeitig bewegte er die Schultern, um die Muskeln zu
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