Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
Ordnung.*
Die Vorsicht des Drachen war begründet. Seit Ellegon während des Holtun-Bieme-Kriegs angeschossen worden war, begegnete er Fremden mit einigem Mißtrauen. Für seine Gesundheit war es vorteilhafter, Menschen mit Ungewissen Absichten aus der Deckung heraus zu beobachten, als sie in geringer Höhe zu überfliegen, um ihre Gedanken zu erforschen und dabei von einem in Drachenbann getauchten Armbrustbolzen getroffen zu werden.
Aller Augen waren abwartend auf Jason gerichtet.
»Nun«, meinte er, »wo waren wir stehengeblieben?«
*Du wolltest dich eben bei Bren Adahan entschuldigen. Dort waren wir stehengeblieben. Also, Jason.*
Aber ...
*Keine Widerworte, sprich mir nach: Ich bitte meinerseits um Vergebung, Baron Adahan ...*
»Ich bitte meinerseits um Vergebung, Baron Adahan ...«
*... Ihr müßt entschuldigen ...*
»... Ihr müßt entschuldigen ...«
*... doch wie allgemein bekannt, bin ich noch neu in diesem Geschäft, und ich fürchte, die Vielzahl der ungewohnten Pflichten zerrt ein wenig an meinen Nerven - und am besten setzt du hier dein gewinnendstes Lächeln auf, Freund aller Fettnäpfchen.*
»Ich bin ... ich bin noch neu in diesem Geschäft und neige wahrscheinlich deshalb ein wenig zur Reizbarkeit.«
Er gab sich Mühe mit dem gewinnenden Lächeln, doch ob es ihm gelang, vermochte er nicht zu beurteilen. Jason Cullinane konnte sich nicht erinnern, je gewinnend gelächelt zu haben. Er gehörte zu den Leuten, die von anderen gewinnend angelächelt werden.
Es hatte gewirkt, fand er, als Bren Adahan sich eindeutig beschwichtigt in seinem Stuhl zurücklehnte.
*Nein, hat es nicht. Gewirkt hat die Botschaft, die ich soeben in deinem Namen übermittelt habe: ›Tut mir leid, daß ich so ein Trottel bin - wir reden noch darüber. Hättest du Lust, nach der Versammlung mit Aeia noch auf ein Glas zu mir zu kommen? ‹*
»Als nächster Punkt«, sagte Thomen, »steht die geplante Abwesenheit des Erben auf der Tagesordnung.«
»Mit Verlaub?« Ariken, der weißhaarige Baron aus Krathael, beugte sich vor und sprach bei Thomens zustimmendem Nicken weiter. »Ihr habt damit einen wichtigen Punkt angesprochen. Diese Eure Reise ... von der wir gehört haben ...«, sagte er mit krächzender Greisenstimme. »Mit allem Respekt ... immer mit allem Respekt ... aber ich bin dagegen und frage mich, weshalb Ihr es für notwendig erachtet, in solch ... schwierigen Zeiten ... Euer Reich zu verlassen. Bevor Ihr nicht gekrönt seid und vollständig in Eure Pflichten eingeführt ... könnte es, vielleicht, beinahe verantwortungslos erscheinen ... das Reich ... zu verlassen ... wenn auch ... wenn auch nur für kurze Zeit.« Schwer atmend, mit aschgrauem Gesicht, lehnte er sich zurück. »Und es tut mir wohl, Euch zu sehen, von Zeit zu Zeit.«
Gibt es nichts, das man für ihn tun kann?
*Kennst du ein Heilmittel gegen das Alter?* Man konnte nichts tun, weder für den Baron noch zur Verbesserung der Situation. Die Baronie Krathael war während des Kriegs von den Holts überrant worden; daher rührte die unbedingte Ergebenheit des Barons für Karl Cullinane, seinen Retter und dessen Erben. Solange der alte Herr seine Baronie mit ausreichender Kompetenz regierte, würde es ein Akt krasser Herzlosigkeit sein und scheinen, ihn zu zwingen, zugunsten seines Sohnes abzudanken.
Arrifezh, der geschmeidig-schlanke Baron Arondael, schüttelte den Kopf. »Wenn er einige Zeit außerhalb seines Reichs verbringen möchte, dann ist es besser, er tut es jetzt. Wenigstens ...«
»Wenigstens läßt er das Kaiserreich nicht im Stich, wie es sein Vater tat? Lautet so Euer Vorwurf, Baron Arondael?« warf Baron Nerahan ein. Er war ein Mann, dem die Grausamkeit ins Gesicht geschrieben stand und der mit unsteten Augen unter düsteren Brauen in die Welt sah. Die scharfgratige Nase und der borstige Schnurrbart erinnerten Jason an die Physiognomie einer Ratte. Während des Holtun-Bieme-Krieges war er für nahezu unvorstellbare Grausamkeiten verantwortlich gewesen.
*Doch seither hat er sich, wie dein Vater zu sagen pflegte, den Pfadfindertugenden verschrieben. Und während er es immer noch auf Arondael abgesehen hat, bemüht er sich doch, als dein treuer Gefolgsmann sein Ziel zu erreichen, also sei nett zu ihm.*
»Lautet so Eure Anklage?« wiederholte Nerahan. »Behauptet Ihr, der Kaiser hätte uns im Stich gelassen?«
»So lautet meine Anklage, wenn sonst keiner den Nerv dazu hat. Ja!« Tyrnael schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und
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