Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
Armbrustbolzen aus der Dunkelheit in Angst und Schrecken versetzte.
In die Fußstapfen einer Sagengestalt zu treten, war nicht leicht. Für Ellegon Feuerholz aufzustapeln, machte damit verglichen sogar Spaß.
»Ich glaube, das ist genug«, meinte Jason und ließ einen letzten Armvoll Holz fallen. Er trat zurück. Ellegons abgrundtiefer Rachen öffnete sich nur einen schmalen Spalt, und eine rasche Flammenzunge schnellte hervor.
Die Scheite qualmten und schwelten; Ellegon versuchte es ein zweitesmal.
*Es ist zu feucht*, verteidigte sich der Drache mit einem beleidigten Schnaufer. Er hob den Kopf und stieß einen großen Flammenball hervor, der nicht nur das aufgestapelte Holz entzündete, sondern brennende Späne über die Lichtung wirbelte, von denen einige an Stellen niederfielen, wo sie gleich Nahrung fanden. Es bestand die Gefahr, daß die ersten kleinen Flammen rasch um sich griffen.
Aeia trat mit dem Stiefel eines der glosenden Holzstücke aus; Kethol und Durine pinkelten unter Prusten und Kichern ein zweites und drittes aus, während Jason ein viertes zerstampfte.
Gute Arbeit, Ellegon, dachte er.
*Ich kann nicht alles im Griff haben*, erwiderte der Drache.
Wie auch immer, sie hatten ein schönes Lagerfeuer.
Tennetty und Durine teilten sich die erste Wache; Jason schlief wie ein Toter.
Am nächsten Morgen wanderten sie als erstes nach Wehnest, um sich Pferde zu beschaffen. Obwohl Wehnest kleiner war als zum Beispiel Biemestren, hatte es eine große Ausdehnung, und einige der Plätze, die Jason aufsuchen wollte, lagen einen ordentlichen Fußmarsch auseinander.
Außerdem war es ein Grund, einen alten Freund zu besuchen. Eine Art Freund.
Die Pistolen griffbereit, aber vor neugierigen Augen verborgen, nahmen Tennetty, Kethol und Durine an günstigen Punkten Aufstellung, um die Straße zu bewachen, während Jason, Bren Adahan und Aeia in das Halbdunkel der Ställe traten.
Er spürte Ellegons Frage in seinem Bewußtsein und beantwortete sie der Wahrheit gemäß. Alles war in Ordnung. Die Ställe machten einen gepflegteren Eindruck als beim letztenmal, auf dem Lehmboden lag frisches Stroh, und der Geruch nach Pferdemist schien von der Koppel hereinzukommen.
Der Stallbesitzer stand prüfend über den linken Vorderhuf einer kleinen braunen Stute gebeugt.
»Ich möchte ein halbes Dutzend Pferde mieten, für zwei oder drei Tage«, verkündete Jason und knallte schwungvoll ein Silberstück auf den Zaunpfosten. Das helle, melodiöse Klingeln der Münze verriet ihren hohen Wert, und einen Hang des Kunden zur Großspurigkeit.
Der Stallbesitzer ließ überrascht den Huf fahren, richtete sich auf und schaute Jason ins Gesicht.
Er war ein kleiner, dicker, kahlköpfiger Mann, in dessen Augen sich Furcht und Kleinlichkeit zeigten, aber keine Grausamkeit. Oder vielleicht bildete Jason sich nur ein, in den Augen des Mannes lesen zu können, weil er wußte, daß der Mann nicht grausam war, sondern ganz im Gegenteil weichherziger und sentimentaler, als es für einen Mietstallbesitzer oder sonst jemanden auf dieser Welt gut war.
Vielleicht.
»Taren«, rief Vator, der Pferdeverleiher, aus. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Taren, Junge«, wiederholte er und legte Jason beide Hände auf die Schultern. »Oder sollte ich Jason sagen?«
Bren Adahan versteifte sich, aber Jason hob beschwichtigend die Hand. Es gab keinen Grund zur Sorge. Jason hatte sich nach Wehnest geflüchtet, als sich damals die Nachricht ausbreitete, Karl Cullinanes Sohn treibe sich allein und schutzlos in Eren herum. Seine Tarnung hatte Vator nicht ganz überzeugen können und diesmal vollends nicht.
Wie Walter Slowotski es ausgedrückt haben würde: Man kann nicht nur ein kleines bißchen enttarnt sein.
Jason ließ den Rucksack von den Schultern gleiten, löste mit geübten Fingern die Knoten in der Lederschnur und brachte einen Weinschlauch zum Vorschein.
»Ein Begrüßungstrunk«, sagte er und zog den Korken heraus. »Jason Cullinane, Erbe des Throns und der Krone von Holtun-Bieme, wünscht dir Glück.« Er legte den Kopf in den Nacken und hob den Weinschlauch an den Mund. Wie sich herausstellte, hatte er zu lange nicht mehr aus einem Schlauch getrunken, ein paar Tropfen der lauwarmen Flüssigkeit rannen über seine Wange, den Hals und in den Hemdkragen. Er gab den Schlauch an Vator weiter.
»Vator, der Pferdeverleiher von Wehnest, wünscht dir Glück.« Der wohlgenährte Mann handhabte den Schlauch mit dem Geschick langer Übung und
Weitere Kostenlose Bücher