Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)
Laden betritt, blickt er sich erst mal neugierig um. Das ist für ihn hier unbekanntes Terrain, bisher hat er sich seine Schuhe und Jeans immer nur im Kaufhaus besorgt und seine T-Shirts im Copyshop sowieso selbst bedrucken lassen.
»Was darf es denn sein, mein Herr?«, fragt der Verkäufer gelangweilt, weil er glaubt, dass er Moritz höchstens ein paar Socken verkaufen kann.
Erst als Moritz mit einem knappen »Eigentlich alles« antwortet, kommt Leben in den Mann.
Moritz probiert nacheinander fünfzehn verschiedene Anzüge an, dazu noch einmal Dutzende Hemden und Schuhe. Erst als der Verkäufer mit einer gestreiften Krawatte auftaucht, winkt Moritz dankend ab. Je mehr Kleidungsstücke an die Kasse wandern, desto freundlicher wird der Verkäufer, und auch mit Moritz geht eine Verwandlung vor sich. Bei den ersten Anzügen steht er noch unbeholfen und linkisch vor dem großen Ankleidespiegel, aber das ändert sich. Von Anprobe zu Anprobe wird er immer souveräner, und als er sich endlich für einen lässig eleganten Anzug entschieden hat, wirkt er, als hätte es in seinem Leben nie eine Zeit gegeben, in der er Jeans und bedruckte T-Shirts getragen hat.
Ich beobachte das alles aus der Mantelabteilung, wo ich so tue, als würde ich mich tatsächlich für das Angebot auf den Ständern interessieren. Wenn ich nicht gerade eifrige Verkäufer wie lästige Fliegen abwehren muss, habe ich von hier aus alles wunderbar im Blick.
»Das brauchen Sie wohl jetzt nicht mehr, mein Herr?«, fragt der Verkäufer, als Moritz in seinem neuen Anzug an der Kasse steht. Mit spitzen Fingern hält er Moritz’ altes Cordsakko in die Höhe.
Moritz schüttelt nur den Kopf, und im nächsten Moment wandert das Jackett auch schon in eine Altkleidertonne hinter dem Verkaufstresen und mit ihm meine teure Nanokamera, ohne dass ich etwas dagegen tun könnte.
Shit happens!
Moritz kauft dann doch noch zwei Paar neue Socken, und als er bezahlt, bleibt von den tausend Euro Kleidergeld nicht viel übrig.
Als er mit seinen Tüten den Laden verlässt, ist sein Schritt viel dynamischer als vorher. Jeder Zentimeter seines Körpers strahlt Selbstbewusstsein aus. Kleider machen Leute, so sagt man doch, und wenn das jemals gestimmt hat, dann hier und jetzt.
Es dauert bis zum späten Abend, ehe es mir gelungen ist, Moritz unbemerkt wieder neu zu verdrahten. Die Kameras werden ja immer winziger, da ist das auch bei dem feinen dünnen Stoff seines neuen Anzugs kein Problem.
Nur schade, dass Moritz jetzt keine T-Shirts mehr trägt. Ich fand die Aufdrucke immer so lustig.
Um 21 : 30 Uhr ist er wieder auf Sendung.
13 / 10 / 2015 – 21 : 35 Uhr
Moritz und Pascal lehnen am Tresen der SonderBar. Auf der Bühne stehen diesmal keine jungen Dichter, sondern eine vierköpfige Band, die Indierock spielt oder das, was sie dafür hält. So, wie sie klingen, brauchen die sich keine Sorgen wegen illegaler Downloads zu machen. Kein Wunder, dass der Laden nicht einmal halb voll ist.
Moritz sieht schick aus in seinen neuen Sachen, keine Frage. Viel eleganter, nicht mehr so schlunzig. Sogar seine Körperhaltung hat sich verändert. Früher hätte er mit hängenden Schultern am Tresen gelehnt. Jetzt hält er sich deutlich aufrechter, und auch sein Blick strahlt viel mehr Power aus als noch vor zwei Tagen.
Pascal stupst Moritz an und flüstert: »Freie Wildbahn! Jetzt ist Nahkampf angesagt.«
Moritz guckt immer noch verständnislos, doch ehe er etwas erwidern kann, hat Pascal schon den Typen angequatscht, der neben ihnen an der Theke steht.
»Gute Musik hier in dem Laden, nicht?«, eröffnet Pascal das Gespräch.
»Hab schon Besseres gehört«, antwortet der Fremde. »Und ihr könnt mir glauben, ich kenn mich aus. Habe selbst mal in einer Band gespielt.«
»Der Freund von einem Freund von mir war auch so ein Musikfreak«, fährt Pascal fort.
»Wieso ›war‹?«, fragt der Mann.
»Blöde Geschichte. Er hat sich immer das neueste Zeug aus dem Netz gesaugt, und eines Tages stand die Polizei in seiner Wohnung …«
Mittlerweile habe ich die Geschichte schon zweimal gehört. Also gönne ich mir eine Pause und gehe aufs Klo. Als ich zurück bin, ist Pascal fast fertig mit seiner Story.
»Und heute sitzt der Typ im Knast. Möchte ich nicht mit tauschen.«
»Echt wahr?«, fragt der Mann, der ziemlich schockiert aussieht.
»Hab ich auch schon von gehört«, mischt sich nun auch Moritz von der Seite in das Gespräch ein.
»Diese Schweine von den
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