Rosengift - Die Arena-Thriller
schienen dezenter zu zwitschern – nicht so lärmend und ordinär wie hinter der alten Villa.
Nachdem Matilda aus dem Schwimmbad nach Hause gekommen war, hatte sie Patrick am frühen Abend angerufen und ihm gesagt, sie müsse ihn sprechen. Er war sofort einverstanden gewesen, hatte vorgeschlagen, sich um acht Uhr bei ihm zu treffen und dann zusammen am Maschsee entlang spazieren zu gehen. Im Moment war es bis weit nach zehn Uhr hell, aber so lange wollte Matilda den Spaziergang ohnehin nicht ausdehnen.
Sie brauchte gar nicht erst auf den vergoldeten Klingelknopf an der Pforte zu drücken, Patrick kam schon über die Terrasse aus dem Haus gestürzt, als hätte er am Fenster gestanden und auf sie gewartet. Rasch lief er über den gewundenen Gartenweg auf sie zu, während seine Mutter kurz und prüfend zu Matilda hinüberblickte, die vor der Haustür stehen geblieben war. Matilda nickte ihr zu, Frau Böhmer nickte kurz zurück und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Rosen.
Sie radelten das kurze Stück bis zum Maschsee und stellten die Räder vor dem Strandbad ab.
»Welche Seite?«, fragte Patrick. Wäre dies ein romantisches Treffen gewesen, hätte Matilda den Weg am ruhigeren Westufer entlang gewählt, der sich in mehreren ausgedehnten Kurven unter Bäumen dahinschlängelte. Aber es sollte ja nicht romantisch werden, also entschied sie sich für die gerade Promenade auf der Ostseite. Zwischen See und Straße gab es zwei Wege, einen für Fußgänger und einen für Radfahrer und Inline-Skater. Ohne sich zu berühren, gingen sie nebeneinander den Fußweg entlang.
»Was wolltest du mir denn sagen?«, fragte Patrick.
Matilda bekam Herzklopfen. Sie war verlegen, wusste nicht, wie sie anfangen sollte. Schließlich sagte sie einfach geradeheraus: »Warum hast du in der Schule allen erzählt, dass wir zusammen sind?«
»Das habe ich gar nicht«, behauptete Patrick.
»Aber heute Morgen in der Schule haben mich mehrere Leute darauf angesprochen. Ich kam mir ganz schön blöd vor.«
»Ehrlich, ich habe nur Jonas erzählt, dass wir ins Kino gehen, das war alles. Weil ich mich so darüber gefreut habe.« Seine blauen Augen blickten sie aufrichtig an.
»Jonas ist ein altes Klatschmaul.« Matilda war erleichtert, dass das Ganze anscheinend tatsächlich nur ein Gerücht zu sein schien. Trotzdem ärgerte sie sich über Patricks Leichtsinn.
»Wäre es denn so schlimm, wenn ein paar Leute das denken?«, fragte Patrick zurück.
»Ja. Nein. Ich meine… es stimmt halt nicht«, stotterte Matilda, der das ganze Gespräch immer unangenehmer wurde. Fast wünschte sie, sie hätte gar nicht erst davon angefangen.
»Aber es könnte doch noch so weit kommen – ich meine rein theoretisch«, bohrte Patrick weiter.
»Nein, das könnte es nicht! Niemals!«, platzte Matilda ungewollt heftig heraus. Sie sah, wie Patrick bei diesen Worten zusammenzuckte, erkannte, wie sehr sie ihn gerade gekränkt hatte, und bereute ihren Ausbruch ein bisschen. Aber andererseits war sie auch erleichtert. Jetzt war es raus, klar und deutlich.
Danach sagte keiner von ihnen mehr etwas. Schweigend liefen sie eine Weile nebeneinanderher, überholten alte Leute, Hundespaziergänger und Liebespärchen, die Arm in Arm am See entlangschlenderten.
»Es war schön mit dir im Kino«, brach schließlich Patrick das Schweigen.
»Ja, ich fand es ja auch schön«, versicherte Matilda. »Ich meine, der Film war gut und alles. Aber…« Sie unterbrach sich, wusste nicht, was sie sagen sollte, ohne ihn schon wieder zu verletzen.
»Hab ich was falsch gemacht?« Patrick war stehen geblieben, er sah sie mit ernstem Blick an. Matilda stand ihm gegenüber und dachte über seine Frage nach. Was war in dieser Situation falsch und was richtig? Seine bisherigen Vergehen – angefangen von der SMS, in der er sie »Süße« genannt hatte, über die Brötchenlieferung, die kitschige SMS mitten in der Nacht und schließlich seine mangelnde Verschwiegenheit gegenüber seinem Freund, was den gemeinsamen Kinobesuch anging – all diese Dinge waren doch eigentlich lauter Kleinigkeiten. Minimale Grenzüberschreitungen, nichts Schlimmes, nichts Weltbewegendes. Warum also stellte sie sich so an, warum hatte sie permanent den Eindruck, von ihm bedrängt zu werden? War sie vielleicht überempfindlich? War er ihr unangenehm? Nein, das war es nicht. Immerhin hatte sie mit ihm rumgeknutscht, wenn auch betrunken, und in Rom hatte ihr seine Nähe auch nichts ausgemacht. Konnte sie es ihm
Weitere Kostenlose Bücher