Rosengift - Die Arena-Thriller
was, wenn er gar nicht dabei ist? Was, wenn die blonde Lauren auch kommt und er mich womöglich den ganzen Abend nicht beachtet? Dann sitze ich hier herum wie bestellt und nicht abgeholt. Nein, das war definitiv unter ihrer Würde. Außerdem – selbst wenn Christopher vorbeikommen würde –, es konnte nicht schaden, wenn er mitbekam, dass auch Matilda nicht ständig nur zu Hause herumsaß. Noch dazu hatte Miguels Frage nicht gerade wie eine Einladung geklungen.
»Ich geh mit Leuten aus meiner Schule zur Stadionbrücke«, verkündete Matilda und beschloss im selben Moment, nach dem Spiel möglichst bald nach Hause zu fahren. So, wie sie Miguel und seine Freunde kannte, würden die sicherlich den ganzen Abend bei ihnen zu Hause verbringen und sich auch noch die Folgespiele hier ansehen.
Bevor Matilda an diesem Abend schlafen ging, stellte sie den Wecker auf sechs Uhr. Sie musste vor der Schule unbedingt ihre Haare waschen und fönen, damit sie auch am späten Nachmittag noch einigermaßen frisch aussahen. Und überhaupt – was sollte sie anziehen?
14
Matilda wurde wach, lange bevor der Wecker klingelte. Sie schaute auf das Display: 4:08. Weshalb war sie aufgewacht zu dieser aberwitzigen Uhrzeit? Warum schlief sie in letzter Zeit so schlecht? Sie versuchte, wieder einzuschlafen, aber dann fiel ihr wieder ein, was heute für ein Tag war: Vielleicht sehe ich heute Christopher wieder, vielleicht… Sie lächelte.
Der Morgen sickerte blaugrau durch die Gardinen und ein paar Vögel waren anscheinend schon munter. Ihr Gezwitscher drang durch das gekippte Fenster, es klang aufgeregt, warnend. So zwitscherten sie, wenn eine Katze durch den Garten schlich, eine Krähe oder Elster auftauchte oder eine andere Gefahr. Die Gestalt von neulich, neben dem Teich, fiel Matilda wieder ein, die sie insgeheim den Schattenmann nannte. Plötzlich war an Schlaf nicht mehr zu denken. Was, wenn er wieder im Garten stand? Matilda huschte aus dem Bett, öffnete die Schublade ihrer Kommode und tastete nach der Taschenlampe. Na warte, dieses Mal bin ich vorbereitet, dachte sie, denn sie hatte die Lampe mit frischen Batterien bestückt. Sie schlich zum Fenster, schob die Gardine zur Seite und spähte hinab ins dämmrige Grün. Ein feiner Nebel lag über dem Rasen, die schwarzen Schatten hatten sich dorthin verkrochen, wo die Sträucher dicht nebeneinanderstanden oder ein Baum seine Zweige tief herabhängen ließ. Matilda schaltete die Lampe ein. Der Lichtkegel zerrte Sträucher, Stauden, die Statue, die Seerosen und die Rosenbüsche aus dem Dämmerlicht. Nichts war zu sehen, weder ein Mensch noch eine Katze oder ein gefiederter Nesträuber. Matilda hielt den Atem an und lauschte. Auch die Vögel hatten sich wieder beruhigt. Sie seufzte, knipste die Lampe aus und legte sich wieder ins Bett. Du spinnst, sagte sie zu sich selbst und schloss die Augen. Aber sie konnte einfach nicht wieder einschlafen, sie war zu aufgeregt. Sie dachte an Christopher – was nicht unangenehm war. Als der Wecker klingelte, stand sie sofort auf und verschwand für fast eine Stunde im Bad. So lange hatte sie dort noch nie verbracht, zumindest erinnerte sie sich nicht daran. Zum ersten Mal öffnete sie den Schminkkasten von Anna und Nicole, kapitulierte aber angesichts des Überangebots. Außerdem wäre die ganze Kriegsbemalung bis heute Abend sicherlich zerlaufen und das sähe dann schlimmer aus als gar kein Make-up, überlegte sie. Dann würde sie eben, wenn sie nach dem Spiel nach Hause käme, schnell noch einmal im Bad verschwinden müssen, um sich frisch zu machen. Matilda wählte das blaue Kleid, das sie auch schon an ihrem Geburtstag getragen hatte, weil es ihr Lieblingsstück war und weil sie fand, dass es ihr von allem, was sie besaß, am besten stand. In der Küche zwang sie sich, ein halbes Brot mit Orangenmarmelade zu frühstücken. Dann packte sie die allernötigsten Schulsachen ein, denn sie würde die Schultasche ja zum Public Viewing mitschleppen müssen. Als Matilda zehn Minuten später vor die Tür trat, um ihr Fahrrad aufzuschließen, das unter dem kleinen Vordach neben der Haustür stand, sah sie die Rose sofort, die auf dem Gepäckträger klemmte.
Sie war langstielig und dunkelrot. Es war keine von den Strauchrosen, die in ihrem Garten wuchsen. Matilda betrachtete die Blume. Sie wusste nicht, ob sie sich ärgern oder freuen sollte. Ihre Ansage war doch eigentlich klar und deutlich gewesen: Sie wollte nichts von Patrick. Und es sollte keine
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