Rosengift - Die Arena-Thriller
beides bestätigen und Christopher seufzte: »Ach, das waren noch Zeiten.«
Er hörte sich an wie ein alter Mann, dabei lag das Ende seiner Schulzeit gerade mal ein paar Monate zurück.
»Was machst du, wenn es mit deinem Medizinstudienplatz nicht klappt?«, fragte Matilda.
»Keine Ahnung. Dann muss ich vielleicht einen Umweg übers Ausland machen. Oder erst mal mit was anderem anfangen.«
»Bezahlen dir deine Eltern denn so ein langes Studium?«
»Nö. Mein Vater hat eine neue Familie mit zwei kleinen Kindern, der hat keine Kohle für mich übrig, und meine Mutter hat selbst zu kämpfen. Das muss ich schon alleine finanzieren. Oder halt mit BAföG.«
»Das ist sicher schwierig.«
»Es geht. Ich hab ein paar Jobs.«
»Was denn für welche?«
»Das Praktikum zum Beispiel. Dafür gibt es zwar kein Geld, aber ich mach ab und zu eine eigene Sendung zu einem bestimmten Thema und die wird dann bezahlt. Dann arbeite ich an zwei Abenden in der Woche im Spielcasino am Blackjack-Tisch.«
»Cool.«
»Ja, und noch so dies und das. Man entwickelt mit der Zeit einige Talente und Beziehungen. Deshalb würde ich ja auch gerne in Hannover studieren, hier hab ich schon meine connections.«
»Ah.« Matilda wollte lieber gar nicht so genau wissen, was er damit meinte.
»Im Herbst fängt ja dann auch erst mal der Zivildienst an.«
»Hm.« So beiläufig wie möglich stellte Matilda die Frage, die sie eigentlich am brennendsten interessierte: »Und was macht eigentlich Lauren so?«
»Lauren?« Er schien einen Moment zu überlegen und sagte dann: »Angeblich will sie ab Herbst studieren. Natürlich ›irgendwas mit Medien‹, war ja klar. Aber ich glaube, in Wirklichkeit sucht die bloß ’nen Kerl, der Kohle hat und sie heiratet. Im Moment vögelt sie mit dem Moderator von der Morning Show rum und hofft, auf diese Art eine Festanstellung beim Sender zu kriegen. Aber insgeheim träumt sie von einer Karriere als Fernsehmoderatorin. Sie findet diese dämlichen MTV- oder VIVA-Tussen nämlich ganz toll. Ständig läuft diese Scheiße in ihrem Zimmer.«
Matilda musste wohl ein sehr verblüfftes Gesicht gemacht haben, denn Christopher lachte und erklärte: »Sie wohnt in meiner WG, wusstest du das nicht?«
Matilda schüttelte den Kopf. Nein, das hatte ihr noch niemand gesagt. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, gefiel ihr dieser Gedanke auch nicht sonderlich gut.
»Wir waren mal ’ne Weile zusammen, aber das hat nicht funktioniert. Sie ist mir zu…« Er machte eine scheibenwischerartige Bewegung vor seinem Gesicht. »Aber als Mitbewohnerin ist sie okay. Sie hat ’nen Putzfimmel, das ist ziemlich praktisch.« Sie sahen sich ein paar Sekunden lang in die Augen, dann lächelten beide.
»Und wie kommst du mit Miguel klar?«, fragte Christopher.
»Gut, wieso?«
Erneut entstand eine kurze Pause, ehe Christopher sagte: »Na ja, in der Schule war er immer ein bisschen… wie soll ich sagen… einzelgängerisch.«
»Das ist er zu Hause auch.« Matilda nickte. »Wir haben nicht besonders viel gemeinsam, aber wir verstehen uns trotzdem ganz gut.«
Die Bedienung brachte zwei Gläser mit Eiskaffee. Als sie weg war, meinte Christopher: »Muss ja auch komisch für ihn gewesen sein, wenn plötzlich seine jüngere Cousine einzieht.«
Wenigstens hat er nicht »kleine Cousine« gesagt, dachte Matilda, die immer noch dabei war, die Bemerkung über Lauren zu verdauen. Sie zuckte mit den Schultern. »Ja, vielleicht. Für mich war es auch komisch, das alles.«
Christopher rührte die Sahne in seinen Eiskaffee. Matilda dachte über seine letzten Worte nach. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich bis jetzt nie großartig Gedanken darüber gemacht hatte, ob es Miguel gefallen hatte, dass sie bei Helen und ihm eingezogen war. War er eigentlich gefragt worden?
Als kleines Mädchen hatte Matilda für ihren älteren Cousin geschwärmt, denn er war der einzige ältere Junge gewesen, zu dem sie engeren Kontakt gehabt hatte. Sie war fünf oder sechs Jahre alt gewesen, da hatte sie ihren Verwandten erklärt, dass sie Miguel später einmal heiraten würde. Diese Aussage war jahrelang bei jeder Familienzusammenkunft von Neuem ausgegraben und belacht worden. Mit zwölf oder dreizehn war Matilda der immer wieder aufgewärmte Gag dann langsam peinlich geworden und sie hatte darum gebeten, damit nun endlich aufzuhören. Anderenfalls, so hatte sie gedroht, würde sie künftig an keiner einzigen Feier mehr teilnehmen.
Als Matilda dann letztes Jahr
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