Rosengift - Die Arena-Thriller
okay«, fuhr Christopher fort. »Sie musste wegen der Führerschein-Sache ein paar Sozialstunden im Krankenhaus ableisten und die waren so angetan von ihr, dass sie danach diese Praktikumsstelle gekriegt hat.«
Matilda sagte nichts dazu und Christopher schaute nachdenklich einer Gruppe Japanern dabei zu, wie sie die mittelalterliche Marktkirche fotografierten. Er fügte hinzu: »Ich finde, man sollte die Leute nicht nach dem Mist beurteilen, den sie mal gemacht haben.«
Matilda nickte. Sie zögerte, ehe sie ihre nächste Frage aussprach: »Hat Miguel eigentlich mal was über mich gesagt? Ich meine, was Schlechtes. Oder überhaupt irgendwas?«
»Nein. Jedenfalls nicht zu mir. Nur das mit deinen Eltern und dass du jetzt hier lebst. Aber wie gesagt, so besonders eng befreundet sind wir ja nicht. Wir haben mehr Kontakt, seit wir beide aus der Schule raus sind.«
»Weil du ihm Gras verkaufst?« Matilda erschrak über ihre eigenen Worte. Sie wusste selber nicht, warum sie damit herausgeplatzt war, die Worte waren ausgesprochen, ehe Matilda richtig darüber nachgedacht hatte. Tja, das war’s dann wohl, dachte sie . Er wird nie wieder was mit mir zu tun haben wollen. Sie wagte nicht, ihn anzusehen. Sicher würde er jetzt aufstehen und gehen. Als nichts dergleichen geschah, hob sie doch den Blick. Christopher erwiderte ihn. Er wirkte überrascht, schien aber nicht wütend zu sein. »Woher hast du das denn?«
»Von Miguel«, antwortete Matilda wahrheitsgemäß.
Christopher machte ein schnaubendes Geräusch und sagte: »Der hat’s gerade nötig.« Seine Silberaugen sahen Matilda prüfend an. »Macht dir das was aus?«
»Nö«, sagte Matilda. »Solange es nur Gras ist.«
Gott sei Dank, er lächelte. Offenbar hatte er ihr diese direkte Frage nicht übel genommen. Ganz im Gegenteil: Er beugte sich zu ihr hinüber, legte den Arm um ihre Schulter und küsste sie zart auf den Mund. »Du bist süß.«
»Du auch.«. Matilda lächelte ein bisschen verlegen zurück. Dann hakte sie doch noch einmal nach. »Wie hast du das eben gemeint: ›Der hat’s gerade nötig?‹«
»Na ja, Miguel ist, was Drogen angeht, auch nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt.«
Sie wurden abgelenkt, denn vor ihnen ließ ein Kind seine Eiswaffel fallen. Christopher zog eine mitfühlende Grimasse, aber Matilda überlief wie aus dem Nichts ein kalter Schauer. Es war lächerlich, das Geräusch, mit dem das Eis auf das Pflaster geklatscht war, hatte ganz anders geklungen. Und doch hatte es die Erinnerung an dieses zweite Geräusch hervorgerufen, an den hohlen Klang, mit dem die Erde auf die Särge ihrer Eltern gefallen war. Sie schüttelte sich. Noch immer überkamen sie ab und zu solche Flashbacks, die sich nicht kontrollieren ließen. Anfangs war sie darüber erschrocken, mittlerweile hatte sie sich schon fast daran gewöhnt. Aber warum gerade jetzt? Was sollten die düsteren Gedanken in einem Moment, in dem sie doch eigentlich glücklich sein sollte? Schließlich hatte sie gerade ein Date mit einem tollen Jungen. Sie merkte, dass sie eine Gänsehaut hatte.
In das Gebrüll des kleinen Mädchens mischte sich ein Klingelton. Er kam aus Christophers Hosentasche. Christopher zog das Handy heraus und nahm den Anruf an: »Oh, Scheiße. – Ja. – Klar, kann ich machen. – So in einer Viertelstunde? – Okay, ich bin da.«
»Musst du weg?«, fragte Matilda.
»Ja, leider. Ein personeller Engpass im Sender. Meinst du, ich kann dich…«
»Ich komm schon klar, ich fahre mit der Straßenbahn zurück«, Matilda versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie überrumpelt sie war. »Geh nur.«
Er legte einen Zehneuroschein auf den Tisch. »Kannst du das übernehmen? Die Bedienung ist hier nicht gerade die schnellste.«
»Klar. Aber ist das nicht zu viel?«
»Du kannst mir das Wechselgeld ja beim nächsten Mal wiedergeben«, erwiderte er augenzwinkernd. Er stand auf, küsste sie und war schon im Gehen begriffen, als er sich noch einmal umdrehte und sagte: »Gib mir noch rasch deine Handynummer.«
Matilda, von dem Kuss noch ganz benommen, stotterte die Nummer herunter und Chris tippte die Zahlen ein. Offenbar hatte er den Zettel, auf dem er am Kiesteich ihre Nummer notiert hatte, verschlampt.
»Und wie ist deine?«, fragte sie.
»Ich schick dir ’ne SMS«, jetzt klang er gehetzt. »Sorry, ich muss los.«
Matilda sah ihm nach, wie er zwischen den Passanten verschwand. Der Umstand dass er ihre Handynummer verlangt und von einem »nächsten Mal« gesprochen
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