Rosenherz-berbKopie
über
sie erfahren haben. Aber egal, jedenfalls habe ich ihm ...»
«Nein»,
unterbrach Anna ihn wieder. «Es ist nicht egal. Ich will wissen, was
er über sie denkt.»
Ihre
Schultern waren nach hinten gebogen. Sie saß aufrecht und
schaute Marthaler mit gespannter Erwartung an.
«Er
sagt, sie sei ängstlich gewesen. Er hat sie als sensibel und
schutzlos beschrieben. Er hat Fotos von ihr gemacht, auf denen sie
nackt zu sehen ist. Sie wirkte auf diesen Fotos wie ein ganz
hilfloses Wesen.»
Marthaler
sah, wie es in Annas Kopf arbeitete. Was sie gerade erfahren
hatte, schien ihr überaus wichtig zu sein. «Du meinst also, dass
sie doch keine Schlampe war?», fragte sie.
Marthaler
lachte. «Jedenfalls hatte sie auch eine andere Seite.
Haberstock meinte, sie sei ein widersprüchlicher Mensch gewesen.
Aber er hat sehr freundlich, fast liebevoll von ihr gesprochen. Er
sagt, er habe sie gemocht, und ich hatte den Eindruck, dass er ein
wenig in sie verliebt gewesen ist. Der Anblick der Tatort-Fotos hat
ihn mehr erschüttert, als ich erwartet habe.»
Anna
schnaubte: «Na, weißt du, wem das nicht an die Nieren geht,
der müsste aber auch ein ziemlich stumpfer Bock sein, oder?»
«Jedenfalls
hat er eine Entdeckung gemacht. Sagt dir der Name Paul Klee etwas?»
«Robert!
Ich habe mir vorgenommen, Journalistin zu werden. Eine gewisse
Allgemeinbildung darfst du also ruhig voraussetzen.»
«Dann
weißt du mehr, als Karin Rosenherz wusste. In ihrem Schlafzimmer
hingen bis zu ihrem Tod zwei Buntstiftzeichnungen von Paul Klee
an der Wand. Sie hatte lange keine Ahnung, was sie da besaß. Als der
Polizeifotograf seine Aufnahmen vom Tatort gemacht hat, waren diese
Zeichnungen verschwunden.»
«Es
ging um die Bilder, hat der kleine Bruno gesagt. Dann war es also
nicht der letzte Freier, der sie getötet hat, sondern jemand, der
scharf auf die Bilder war. Dann wäre dieses Rätsel also gelöst»,
sagte Anna.
«Jedenfalls
zum Teil. Bleibt die Frage, woher der kleine Bruno davon wusste.»
«Und
wer ihn umgebracht hat.»
«Ich
habe noch etwas von Sebastian Haberstock erfahren. Er kannte sowohl
Philipp Lichtenberg als auch Stickler und Ortmann. Alle drei waren
Mitstudenten von ihm. Er beschreibt sie als ziemlich unangenehme
Gesellen. Philipp Lichtenberg sei der Wortführer gewesen. Seine
Eltern waren Inhaber einer Galerie und eines Auktionshauses. Er hatte
das Geld, die anderen beiden waren seine Lakaien.»
«Ist
dir klar, was du da sagst?», fragte sie.
Marthaler
nickte, wollte aber, dass Anna ihre Gedanken selbst ausführte.
«Karin
Rosenherz ist am Nachmittag vor ihrem Tod auf einer Party bei Philipp
Lichtenberg, also bei einem Mann, der mit Kunst, mit Bildern zu tun
hat. Am nächsten Abend wird ihre Leiche entdeckt. Die beiden
Zeichnungen von Klee sind verschwunden. Albanelli erinnert sich,
Philipp Lichtenberg im Hausflur gesehen zu haben. Dieser
bestreitet aber, in der Kirchnerstraße gewesen zu sein, und benennt
dafür vier Zeugen, von denen wir annehmen können, dass ihre
Aussagen nicht viel taugen. Seine beiden Freunde waren in irgendeiner
Weise abhängig von ihm, anders ist das Wort nicht zu
verstehen. Die beiden anderen Zeuginnen waren Prostituierte, das
heißt, sie sind bezahlt worden. Die eine ist an Leukämie gestorben,
die andere wahrscheinlich umgebracht worden. Damit ist das Alibi von
Philipp Lichtenberg weniger wert als das Papier, auf dem es
protokolliert wurde.»
Marthaler
sah Anna an. «Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?»,
fragte er.
«Was
soll ich mir überlegen?»
«Ob
deine Entscheidung, Journalistin zu werden, wirklich so klug ist?»
«Robert,
red nicht drum herum. Sag mir einfach, wenn ich falsche Schlüsse
gezogen habe.»
«Nein»,
erwiderte er lächelnd, «alles, was du gesagt hast, ist vollkommen
richtig. Du hast argumentiert wie eine erfahrene Kriminalistin.
Darüber hinaus hast du es so klar und folgerichtig formuliert, wie
ich es selbst nie gekonnt hätte. Wenn du wirklich Journalistin
wirst, geht uns eine vielversprechende Kollegin verloren.»
«Aber?»,
fragte Anna, die offensichtlich immer noch zweifelte, dass
Marthaler seine Worte ernst gemeint hatte.
«Nichts
aber», sagte er. «Trotzdem werde ich dir nicht den Gefallen tun,
mein Lob zu wiederholen.»
«Schade
eigentlich. Ich hätte gerne noch einen Nachschlag genommen.»
Marthaler
merkte, dass Annas Aufmerksamkeit abgelenkt wurde. Sie schaute an ihm
vorbei. Dann hörte er schon Arne Grüters rasselnde Stimme
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