Rosenmörder (German Edition)
sich
schlagartig ein dichter Schleier von Trauer über sein Gesicht.
Nein, Lola hat Haus für Haus in der Straße
abgeklappert. Niemand hat etwas gesehen.
Als Ottakring sich verabschiedet, streicht er mir
nachdenklich übers Haar. Werd bald gesund, sagt er. Ich brauche dich.
ZWANZIG
Eva Mathilde Leander fuhr an der Ausfahrt 105 von der A8 ab. Am
östlichen Ortsrand von Frasdorf passierte sie eine Tankstelle, bog nach links
ein und folgte der Asphaltstraße für wenige hundert Meter, bis sie an einen
kleinen Waldparkplatz rechts der Straße kam. Sie stellte den Motor ab und legte
die Hände oben auf das Lenkrad. So saß sie etwa zwei Minuten da und dachte
nach. Dann ließ sie ein Fenster herunter, atmete die Herbstluft ein und holte
ihren Laptop auf den Schoß. Sie gab den Namen »Gubkin« ein. Kein Eintrag
gefunden. Sie versuchte es mit »Gubkinowa«. Ebenso erfolglos.
Eva M. telefonierte mit Rosenheim. Es kostete ein klein wenig
Konzentration, nicht versehentlich ihre Dienststelle in München anzurufen, der
sie seit gestern nicht mehr angehörte. Sie sollte für die Zeit der laufenden
Ermittlungen die Rosenheimer Kripo unterstützen.
»Findet heraus, wo die Gubkins leben«, instruierte sie die
Rosenheimer Kollegen.
Bevor sie losfuhr, warf sie einen Blick in den Rückspiegel. Sie war
eine Frau Mitte zwanzig, hatte ein heiteres Gesicht und leistete sich einen
breiten blonden Chinesenzopf. Lippenstift vermied sie, zumindest im Dienst,
denn der hätte ihren blassen Teint noch blasser gemacht. Ihre dünne Haut
spannte über scharf hervortretenden Wangenknochen. Ihre Beine steckten in
enzianblauen Jeans mit Silberpailletten an den Seiten, darüber trug sie einen
hellen Rollkragenpulli.
Sie legte den Gang ein, fuhr vorwärts aus dem Parkplatz auf die Straße
und folgte der Anweisung der Dame im Navigationsgerät. Gut fünf Minuten später
stellte sie den Dienstgolf vor Winslets Residenz ab. Sie streifte ihren Blazer
über, nahm den Laptop mit und marschierte hinein.
Die unaufgetakelte Dame im schwarzen Anzug überging sie und wandte
sich direkt an die Chefin.
Nun saß ihr Frau Winslet in ihrem Büro mit so etwas wie gutmütiger
Arroganz gegenüber.
»Ja, bitte.«
Eva M. erläuterte kurz den Sachstand.
»Ich werde alles, was Sie sagen, für wichtig halten, Frau Winslet.
Also bitte überlegen Sie sorgfältig und seien Sie genau. Ja?«
»Ja.«
»Wer ist Herr Gubkin?«, fragte Eva M. mit gereizter Stimme.
»Wer ist Frau Gubkinowa? Sagen Sie mir, was Sie wissen.«
Winslet setzte ein spöttisches Lächeln auf. »Schlecht recherchiert,
oder? Was die Gubkins machen, weiß doch jeder.«
Ja, wenn man in der Gegend wohnt, dachte Eva M. Sie ließ sich
auf kein Wortgefecht ein.
»Wenn Sie bitte nur auf meine Fragen antworten würden. Also, was
wissen Sie über die beiden?«
Über Gubkin wusste die Winslet nichts, aber seine Frau war die Charitylady in Südbayern schlechthin. Man sah es an der
Einladungsliste.
»Ich bin nicht neugierig. Neugierig zu sein über das Medienwissen
und die Gerüchte hinaus wäre fatal für unser Haus. Speziell die Gubkins
verkehren nur per E-Mail mit uns. Die telefonieren nicht mal. Keine Ahnung, wo
die leben.«
Eva M. fühlte eine gewisse Spannung aufsteigen. Sie war auf der
richtigen Spur. Ihre dunkle Ahnung, dass sich dieser Einsatz lohnen würde,
wuchs immer mehr. Sie musste sich ein Bild vom Leben der Gubkins machen.
Sie hatte den Laptop längst gestartet und schob ihn aufgeklappt vor
die Chefin des Hauses hin.
Frau Winslet war eine zierliche Person mit Lippen wie Angelina
Jolie. Eine Zeigefingerspitze spielte mit diesen Lippen.
»Die Einladungsliste vom Dienstag. Ja. Und?«
»Nur Mitteleuropäer außer den Gubkins. Gab’s noch mehr Osteuropäer?
Georgier? Ukrainer? Armenier? Usbeken? Russen?«
»Nein. Nicht dass ich wüsste«, sagte Winslet trocken.
»Sind alle Anwesenden auf dieser Liste erfasst? Alle?«
»Wir haben nicht nachgezählt.«
Eva M. sprang auf und riss die Espressotasse mit. Der Kaffee
ergoss sich wie das Muster für einen Psycho-Rorschachtest über die
Schreibtischplatte.
»Sakradi«, rief sie laut. »Würden Sie vielleicht Ihren Grips mal etwas
anstrengen? Und mir endlich sagen, was Sie wissen? Wer ist nicht auf dieser
verdammten Liste?«
Eva M. war sich sicher. Die Frau wusste mehr, als sie zugab.
Schwieg sie aus Angst? Aus Vorsicht? Aus Trägheit?
»Kosmos!«, sagte Winslet. »Da gab’s einen Typen, den haben sie
Kosmos genannt. Der stand nur
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