Rosenmörder (German Edition)
beiden Waschbecken auf, besieht sich den
Inhalt und schließt die Türen wieder. Er steckt die Pistole in den Hosenbund,
zieht den Kittel darüber und geht zurück in die Küche. Er öffnet den
Kühlschrank, nimmt eine Flasche Bier heraus, knackt sie und trägt sie ins
Wohnzimmer. Dort setzt er sich auf die Couch. Zwei Sessel, zugehöriger Tisch,
breiter Schrank an der Längswand, in der Ecke ein mittelgroßes HDTV -Fernsehgerät. Die Wohnung der Polizistin ist der
sicherste Ort der Welt, um sich zu verstecken. Niemand würde ihn hier vermuten.
Er wartet. Trinkt aus der Flasche, geht ihre Post durch, die auf dem
Tisch liegt, nichts Spektakuläres, und betrachtet sein Spiegelbild in dem toten
Bildschirm. Der Lada steht immer noch auf der Loretowiese. Keiner kann wissen,
dass es sein Lada ist. Er fühlt das Rasiermesser in der linken Innentasche. Die
Kühle des Griffs beruhigt ihn. Aus der Einkaufstasche holt er die Garrotte,
nimmt sie in beide Hände, lässt sie dreimal ruckartig auseinanderschnalzen,
nickt und steckt sie zufrieden wieder ein.
»Such ihn. Ja, jetzt! Und lass die Leiche verschwinden!
Bis morgen muss der Auftrag erledigt sein.«
Gubkins Befehle hatten einen Klang wie Glas, das zerspringt. Er
duldete keinen Widerspruch und forderte unbedingten Gehorsam. Auch wenn es um
den Tod seines Leutnants ging.
Es hatte einen hässlichen Streit zwischen ihm und Nadeschda gegeben,
nachdem sie ihm ihre Affäre mit Kosmos gestanden hatte. Sie waren
hinaufgegangen in den Musiksalon.
»Aber das war doch, bevor ich dich gekannt habe. Und nur kurz«, rief
sie. »Du warst zu der Zeit in Amerika.«
Felix Iljitsch Gubkin brannte vor Eifersucht. Er schlug Nadeschda
ins Gesicht. Er nahm sie in den Arm. Er fuhr ihr sanft über die Wangen und
trocknete ihre Tränen. Er wollte sie küssen, aber sie wehrte sich. Da packte er
sie und presste sie gegen die Wand. Alles Blut war ihm aus dem Gesicht
gewichen. Die Worte bröckelten wie Eisklumpen aus seinem Mund.
»Ich werde dich nie mehr fragen, ob du mit diesem Kerl etwas hast.
Ich werde vorbeugen. Du wirst deinen Lover begraben können!«
Sie hatte aufgeschrien. Hatte die wilde Entschlossenheit in seinen
Augen gesehen.
»Ruf ihn nicht an! Warne ihn nicht! Sonst werde ich mir auch für
dich etwas einfallen lassen müssen.«
»Tu’s nicht!«
»Was willst du? Er bringt die Polizei auf unsere Spur. Hast du
selbst gesagt. Und du hast recht. Kosmos gerät außer Kontrolle. Er ist krank.«
»Wir können doch mit ihm reden.« Sie verbesserte sich. »Du kannst
mit ihm reden.«
»Glaubst du wirklich, du kannst einen tollwütigen Hund bändigen,
indem du mitfühlend auf ihn einredest?«
Seine Leidenschaft brach alle Dämme. Tschaikowsky spielte er und
Liszt. Er zwang sie, ihm zuzuhören.
»Nein, nein, die Sache ist gelaufen«, sagte er nachher schnaufend.
»Ich habe vorsichtshalber Alterchen gefragt. Er ist auch meiner Meinung.«
Als sie oben waren und in der Küche standen, erkannte er, wie sich
der Schmerz wie ein Messer in ihr Herz bohrte.
»Es muss sein«, sagte er abschließend.
Im Stockwerk über ihm geht die Toilettenspülung. Stimmen
im Hausflur. Dann ist wieder alles ruhig. Kosmos geht zum Fenster. Die Gardinen
sind zugezogen. Er sieht den Turm einer Kirche, im Hintergrund die Bergkette.
Ein Lkw wird scheppernd entladen.
Dann ein Geräusch an der Tür. Er rappelt sich hoch. Das Schloss, es
klemmt. Jemand wirft sich von außen gegen die Tür. Hat eine Frau so viel
Kraft?, fragt er sich. Eine Polizistin muss wohl. Gleichzeitig hastet er zur
Wohnzimmertür, reißt sie nach innen auf und stellt sich dahinter.
Er wartet.
»Hallo!«
Nicht ihre Stimme. Eine männliche Stimme. Die Wohnungstür fällt zu.
»Hallo! Ist da wer?«
Jemand, der einen Schlüssel zur Wohnung besitzt. Ihr Freund?
Kosmos wartet. Zerrt die Beretta aus dem Hosenbund. Die andere Hand
fährt nach unten und pflückt den stiftgroßen AAC -Schalldämpfer
aus der Schleife um den Unterschenkel. Schraubt ihn mit geübtem Griff lautlos
auf den Lauf. Garrotte und Messer wären in dieser Lage untauglich, obwohl er
sie lieber genommen hätte. Er muss geräuschlos arbeiten.
Ein Arm erscheint. Ein grüner Arm. Wie in einem Marionettentheater,
denkt er. Gleich wird das Krokodil auftauchen. Tut es aber nicht. In dem grünen
Ärmel steckt eine Hand, und diese Hand umschließt den Griff einer Pistole. Eine
P7! Und es
ist das Grün einer Polizeiuniform. Die Situation kommt ihm bekannt vor. Vor
Jahren in New York
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